Das Statistische Bundesamt meldet, dass die Bruttolöhne in den vergangenen zehn Jahren so langsam gestiegen seien wie nirgends sonst in Europa. Hieraus abzuleiten, ein kräftiger Schluck aus der Lohnpulle wäre eine gute Medizin für die Konjunktur, ist jedoch fahrlässig.
Niveau außer acht gelassen
Denn außer Acht bleibt, dass das Kostenniveau in der Industrie, die im Mittelpunkt des internationalen Wettbewerbs steht, nach wie vor das weltweit höchste unter den großen Volkswirtschaften ist. Übersehen wird auch, dass die Lohnzurückhaltung der zurückliegenden Jahre geholfen hat, die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen. In der Euphorie nach der deutschen Einheit stiegen die industriellen Arbeitskosten dagegen in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre um jährlich 6 Prozent. Über zwanzig Jahre hinweg gerechnet ergibt sich so für die heimische Kostendynamik im Verarbeitenden Gewerbe im internationalen Vergleich nur ein leicht unterdurchschnittlicher Wert.
Die zurückhaltende Lohnentwicklung der vergangenen Jahre hat überdies geholfen, Beschäftigung aufzubauen. Durch die größere Wettbewerbsfähigkeit war es den Unternehmen zuletzt auch möglich, trotz stark sinkender Produktivität die Belegschaften weitgehend stabil zu halten. Für eine Nachschlagsdiskussion ist es deshalb auch zu früh: Die industriellen Lohnstückkosten sind aktuell noch immer um 10 Prozent höher als vor der globalen Wirtschaftskrise.
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