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Haushaltsdefizit in Frankreich IW-Nachricht 31. Mai 2013

Längere Frist ja, aber mit Auflagen

Die EU-Kommission hat Frankreich gestattet, die Drei-Prozent-Marke des öffentlichen Defizits statt 2013 erst 2015 zu erreichen. Da kommt schnell die Vermutung auf, die Regeln des gerade erst geschärften Stabilitätspaktes würden gleich wieder gebrochen. Ein genauerer Blick auf die Fakten relativiert dieses Bild, zeigt aber auch, dass die EU Frankreich auf grundlegende strukturelle Reformen verpflichten muss.

Ein Hinausschieben der Frist, in der die Drei-Prozent-Hürde erreicht werden muss, kann erfolgen, wenn das Land bis dato „wirksame Maßnahmen“ ergriffen hat und „unerwartete nachteilige wirtschaftliche Ereignisse“ mit großen negativen Folgen für die Staatsfinanzen eingetreten sind. In diesem Fall kann die Frist in der Regel um ein Jahr verlängert werden.

Wie sieht es nun im Falle Frankreichs aus? Zum einen hat die Nation durchaus „wirksame Maßnahmen“ zur Konsolidierung ergriffen. So hat es sein strukturelles (konjunkturbereinigtes) Staatsdefizit von 5,8 Prozent des (potenziellen) BIP im Jahr 2010 in den folgenden beiden Jahren um jeweils 1,1 Prozentpunkte gesenkt. Zum anderen sind „unerwartete nachteilige wirtschaftliche Ereignisse“ insofern eingetreten, als der EU-Rat Ende 2009 bei der Festsetzung der Zielmarke 2013 von einer deutlich besseren Wirtschaftsentwicklung ausgegangen ist. Nach dem Wirtschaftseinbruch im Zuge der globalen Finanzkrise war man ab 2010 von einer recht stetigen Erholung ausgegangen. Doch wider Erwarten wurde die Eurozone wegen der Euro-Schuldenkrise, die sich 2011 mit dem Übergreifen auf Italien und Spanien deutlich zuspitzte, in eine erneute Rezession gerissen. Auch die französische Wirtschaft blieb davon nicht verschont und stagnierte 2012 – für 2013 sind die Aussichten ebenso trübe. Ursprünglich ging man von einem Wachstum von etwa 1 bis 1,5 Prozent aus. Diese Wirtschaftsschwäche hatte in der Folge erhebliche Rückwirkungen auf die französischen Staatsfinanzen, weil Steuereinnahmen weniger stark sprudelten und die Ausgaben – etwa für Arbeitslose – stiegen.

Zwar scheinen damit die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung weitgehend gegeben zu sein, doch die Verlängerung um zwei Jahre ist doch sehr großzügig bemessen. Dies gilt nicht zuletzt im Vergleich zu Spanien, wo die Wirtschaftsentwicklung noch viel stärker von den Erwartungen im Jahr 2009 abweicht. Zudem hat Frankreich den Sparkurs und weitere Reformen lange Zeit verschleppt und müsste jetzt eigentlich zur Ordnung gerufen werden.

Der Schritt der EU-Kommission muss freilich vor dem Hintergrund beachtlicher Gefahren für die Eurozone gesehen werden. So ist nicht ausgeschlossen, dass Frankreich in die Rezession gerät, wenn Paris in der aktuell fragilen Wirtschaftslage derart heftig sparen müsste, um 2013 oder 2014 die Defizitzielmarke von 3 Prozent des BIP zu erreichen. Eine Rezession in Frankreich könnte aber die Euro-Schuldenkrise wieder aufflammen lassen.

Das Entgegenkommen der EU sollte jedoch an die Voraussetzung geknüpft werden, dass sich Frankreich zu wirklich umfassenden Strukturreformen und einem weiteren Abbau des strukturellen Staatsdefizits im bisherigen Tempo verpflichtet. Dazu sind mittelfristige Ausgabenkürzungen – besonders eine grundlegende Rentenreform – nötig. Die EU-Kommission schlägt daher zu Recht vor, dass der EU-Rat Frankreich bis Anfang Oktober eine Frist setzt, um effektive Maßnahmen verbindlich anzukündigen und den mittelfristigen Konsolidierungskurs zur Erreichung des Defizitziels detailliert vorzuzeichnen. Andernfalls würde das Defizitverfahren verschärft, wie die EU-Kommission es gerade für Belgien vorgeschlagen hat.

Zudem darf es eine Lockerung des Sparkurses nur geben, wenn als Gegenleistungen mehr Strukturreformen ergriffen werden. Die dazu vorgeschlagenen Empfehlungen der EU-Kommission sind in der Tat schon merklich umfassender und detaillierter als im Vorjahr. Doch das reicht noch nicht. Der EU-Rat sollte diese Empfehlungen noch weiter konkretisieren und zudem mit einer Frist versehen.

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