Theorie und Praxis liegen im Fall Griechenland weit auseinander: Theoretisch wäre die Rückkehr zur Drachme und deren deutliche Abwertung ratsam, weil es der griechischen Wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit und exportgetriebenem Wachstum mangelt. Praktisch jedoch würden schwer kalkulierbare Ansteckungseffekte drohen – auch für große Euroländer.
Ein Euro: Abschied wäre sehr riskant
Angenommen, das schwer angeschlagene Griechenland verlässt die Eurozone, dann wären Investoren wahrscheinlich viel sensibler als früher. Sollte sich die Lage etwa in Spanien und Italien verschlechtern, könnten Anleger befürchten, dass auch diese Staaten den Euro aufgeben. Und: Die neuen Landeswährungen würden an Wert gegenüber dem Euro verlieren – was auch den Wert der meisten Staatspapiere drückt. Denn betroffen von dieser Abwertung wären alle Anleihen, die nach nationalem Recht ausgestellt sind. Ein einfacher Parlamentsbeschluss würde reichen, um sie auf die neue Währung umzustellen. In Spanien wurden nach Angaben der DekaBank knapp die Hälfte und in Italien sogar alle Staatsanleihen nach nationalem Recht begeben. Besitzer dieser Anleihen müssten also im schlimmsten Fall herbe Verluste verkraften. Um dieses Risiko abzufangen, dürften Investoren schon im Voraus nur dann bereit sein, die Staatspapiere zu kaufen, wenn sie entsprechend hoch verzinst sind.
Höhere Zinsen wiederum würden selbst Investoren aufschrecken, die das vorangegangene „Was wäre, wenn…“-Gedankenspiel gar nicht mitgemacht haben. Italien und Spanien könnten es im Zuge dessen dann tatsächlich immer schwerer haben, sich frisches Geld zu besorgen. Und um diese Staaten aufzufangen, reicht der Eurorettungsschirm nicht aus.

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