Ein „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ kann den Integrationsprozess der Europäischen Union fördern. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Das IW warnt allerdings vor einem „Europa à la carte“.

Sinnvoll, wenn behutsam angewendet
Schon heute setzt oft nur ein Teil der 28 EU-Mitgliedstaaten seine Unterschrift unter europäische Vereinbarungen – einige Staaten gehen beim Integrationsprozess voran, andere bleiben zeitweise oder dauerhaft zurück. Für die EU hat sich das bislang als integrationsfördernd erwiesen, zeigt jetzt das IW Köln in seiner Analyse: Als es beispielsweise darum ging, die Euro-Schuldenkrise zu bekämpfen, waren nicht alle Mitgliedstaaten bereit, die Maßnahmen mitzutragen, mit denen die wirtschafts- und währungspolitischen Regelungen in der EU verbessert werden sollten. So wurde der Fiskalvertrag, der den Stabilitäts- und Wachstumspakt stärken soll, zunächst nur von 25 Mitgliedstaaten und außerhalb des Rechtsrahmens der EU abgeschlossen. Auch den Euro-Plus-Pakt, mit dem die Staaten ihre Wirtschaftspolitik koordinieren und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern wollen, unterzeichneten nur 23 Länder außerhalb des Unionsrechts.
Die Entwicklung der Europäischen Union geschieht also keinesfalls immer einheitlich, sondern zunehmend auf dem Weg der sogenannten differenzierten Integration. Man spricht daher auch von einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, einem Kerneuropa oder einem Europa der variablen Geometrie. Institutionelle Beispiele sind die Wirtschafts- und Währungsunion, die zur Zeit nur 18 der 28 Mitgliedstaaten umfasst . Auch am Schengen-Raum, bei dem es um den Verzicht auf Personenkontrollen an den Binnengrenzen geht, sind nicht alle EU-Staaten beteiligt.
An all diesen Beispielen wird ein großer Vorteil der differenzierten Integration deutlich: Wenn nicht alle Mitgliedstaaten einen weiteren Integrationsschritt gehen wollen, hindern die Staaten die integrationswilligen Länder zumindest nicht daran, auf dem Weg weiterzugehen . Problematisch wird es jedoch, wenn es zum „Rosinenpicken“ kommt, vor allem dann, wenn sich ein Land aus dem Binnenmarkt heraushalten möchte, warnen die IW-Experten. In diesem Fall sind Wettbewerbsverzerrungen wahrscheinlich, die weder zu rechtfertigen wären noch von den anderen Mitgliedstaaten toleriert werden würden. Ein Europa à la carte, so die IW-Studie, ist daher als Leitbild für die weitere Integration in der EU abzulehnen.

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