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(© Foto: 4x6/iStock)
Wido Geis bei der Deutschen Welle Interview 11. Juli 2016

30.000 Jobs für Flüchtlinge ein Erfolg

In Deutschland haben zehntausende Flüchtlinge bereits Arbeit gefunden – die meisten allerdings im Niedriglohnsektor. Ein erster Schritt zur gelungenen Integration? Ja, meint IW-Migrationsexperte Wido Geis im Interview mit der Deutschen Welle.

Herr Geis, seit Frühjahr 2015 sollen laut Bundesagentur für Arbeit 30.000 Flüchtlinge einen Job gefunden haben. Werten Sie das als Erfolg?

Das ist auf jeden Fall ein Erfolg. Vor allem, wenn man weiß, wie schwierig die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ist, weil sie, anders als andere Zuwanderer, zunächst die Sprache erlernen müssen.

Andererseits sind 130.000 Menschen, die in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt wurden, arbeitslos gemeldet. Hat sich die bisherige Zuwanderung insgesamt positiv oder negativ auf den deutschen Arbeitsmarkt ausgewirkt?

Dass wir viel mehr Arbeitslose als Erwerbstätige haben, liegt daran, dass die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt Zeit braucht. Es gibt eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die zeigt, dass Flüchtlinge in der Vergangenheit rund 15 Jahre gebraucht haben, bis sie den Stand andere Zuwanderer erreicht hatten. Andererseits wissen wir aber, dass viele Menschen mit einem sehr niedrigen Qualifikationsniveau zu uns kommen. Das ist ein Bereich, in dem der deutschen Wirtschaft eigentlich genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Die Wirkung auf den Arbeitsmarkt dürfte demnach nicht zu positiv sein.

Das IAB-Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit fand kürzlich heraus, es gebe 154.000 Jobangebote, die theoretisch von gering-qualifizierten Flüchtlinge besetzt werden könnten. Wieso bleiben diese Stellen unbesetzt?

Zum einen gibt es auch einheimische Bewerber auf die Stellen. Zum anderen: Genauso, wie sie zu manchen Einheimischen nicht passen, sind es oft auch für Flüchtlinge nicht die passenden Stellen. Zum Beispiel werden die Jobs nicht in ihrer Wohnregion angeboten.

Die meisten Flüchtlinge sind bisher im Niedriglohnsektor untergekommen - zum Beispiel im Dienstleistungsgewerbe wie in der Gebäudereinigung oder im Wachdienst. Das sind Jobs, die Einheimische häufig nicht machen wollen. Dennoch werden ihnen Vorteile eingeräumt. Stehen bürokratische Hürden der Arbeitssuche von Flüchtlingen im Weg?

Wenn wir über anerkannte Flüchtlinge sprechen, die also nach Genfer Konvention Asyl in Deutschland erhalten, sind die bürokratischen Hürden an sich nicht da. Diese Menschen sind einheimischen Angestellten gleichgestellt. Bei Asylbewerbern sieht das anders aus. Da muss festgestellt werden, dass kein einheimischer Bewerber zur Verfügung steht. Das hat sich durch das Integrationsgesetz zwar gebessert. In der Verwaltung gibt es zum Teil aber noch große Schwierigkeiten, was das Zusammenspiel von Ausländerbehörde und Bundesagentur für Arbeit angeht - vor allem über die Frage, ob ein Flüchtling im Land bleiben darf. Die meisten Menschen, die in den vergangenen zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind, hängen im Stadium eines Aslyverfahrens fest und sind noch nicht anerkannt.

Aus Sicht des Chefs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, ist die deutsche Wirtschaft weiter auf die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen. Wird das Potential gut ausgebildeter Flüchtlinge ausgeschöpft?

Grundsätzlich schon. Flüchtlinge müssen natürlich erst die für den entsprechenden Beruf notwendigen Deutschkenntnisse erwerben und Qualifikationen anerkannt bekommen. Viele Flüchtlinge bringen auch keine in Deutschland gesuchten Qualifikationen mit. Wir sehen aber in der Statistik zum Beispiel, dass es in den vergangenen zwei Jahren einen starken Anstieg an syrischen Ärzten gegeben hat.

Dennoch üben viele Flüchtlinge Mini- oder Ein-Euro-Jobs aus. Dadurch sind sie zwar schneller auf dem Arbeitsmarkt integriert, haben aber oft keine langfristigen Perspektiven. Würde es nicht mehr Sinn machen, von vornherein in eine gute Bildung zu investieren?

Bei jungen Flüchtlingen macht es immer Sinn, sie in Deutschland auszubilden - zumal wir eine große Zahl nicht besetzter Ausbildungsplätze haben. Das Problem ist nur, dass man die Menschen davon überzeugen muss, eine Berufsausbildung zu machen. Das ist sehr schwierig. Zum einen kostet die dreijährige Berufsausbildung Flüchtlinge in der Regel fünf Jahre, bis sie auf dem entsprechenden Sprachniveau sind, um in der Berufsschule folgen zu können. Da sagen viele: Ich hab Familie Zuhause, muss Geld überweisen - mir ist es wichtig, schnell am Arbeitsmarkt zu sein. Dazu kommt, dass es in Ländern, aus denen die Menschen fliehen, diese Art der beruflichen Bildung überhaupt nicht gibt und der Wert von Berufsausbildungen nicht erkannt wird. Da ist viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Im niedrigqualifizierten Segment haben wir zwar genug Beschäftige. Aber eine geringfügige Tätigkeit kann auch zum Einstieg in den Arbeitsmarkt dienen. Sie ermöglicht Flüchtlingen, die deutschen Arbeitsmarktinstitutionen kennen zu lernen, Kontakte zu knüpfen und die Sprache zu lernen.

Zum Interview bei der Deutschen Welle

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