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(© Foto: Maryna Pleshkun. - Fotolia)
Michael Hüther auf heute.de Interview 27. Februar 2011

"Euro: Verlust käme alle teuer zu stehen"

Unruhen in Nordafrika, steigende Ölpreise, Inflation, Euro-Krise: Viele Faktoren, die den Aufschwung der deutschen Wirtschaft bremsen könnten. Doch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, sieht Deutschland und den Euro-Raum gut gerüstet.

Zunächst mal in die weite Welt: Die aktuellen Ereignisse in der arabischen Welt schrecken die Menschen auf und verunsichern die Wirtschaft. Welche Folgen könnten andauernde Unruhen dort für uns haben?

Nun, entscheidend ist, wie lange wirklich die Unsicherheit darüber beherrschend bleibt, ob es beispielsweise auch in Libyen eine Lösung gibt, und wo diese Lösung dann politisch hinführt. Unsicherheit ist im internationalen Kontext immer bedrohlich, äußert sich in Reaktionen bei den Rohstoffpreisen: Beim Ölpreis sehen wir es. Mittel- und langfristig ist die Frage, ob es hier wirklich die Öffnung einer Region gibt hin zu einer wirtschaftlichen Einbindung in die Welt. Es sind Länder mit junger Bevölkerung, mit entsprechendem Hunger, und es sind Länder, die Investitionen benötigen.

Zu uns in Deutschland: Der steigende Ölpreis macht sich im Alltag stark bemerkbar, die Inflation ist neuerdings wieder ein Thema...

Wir haben ja immer enorme Reaktionen der Konsumenten in Deutschland auf dieses Preissignal. Man hat manchmal den Eindruck, das entscheidendere für die Stimmung ist das, was an der Tankstelle ausgehängt wird, als das, was politisch zu diskutieren ist. Ich glaube aber, es leuchtet jedem ein, dass dieser Preiseffekt nicht aus Fundamentalzusammenhängen, aus den Ölmärkten erklärlich ist, sondern durch die politische Unsicherheit. Das macht es möglicherweise auch erträglicher.

Hat die EZB denn die Mittel und vor allem die Glaubwürdigkeit, um ihren Kampf gegen die Inflation deutlich zu machen?

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die EZB bei deutlichen Hinweisen, dass das Bild sich verändert, auch reagieren wird. Es gibt nicht nur aus der Bundesbank, sondern auch aus Kreisen anderer europäischer Zentralbanken den Hinweis, dass die Inflation zu bekämpfen ist, und wir haben die Instrumente dafür. Wir haben zum Beispiel die Zinspolitik, die noch gar nicht genutzt ist. Vor dem Hintergrund auch ihres Erfolges in der ersten Dekade habe ich keinen Zweifel, dass die EZB diesen Weg gehen wird, sie kann sich hier keine Blöße geben.

Noch längst nicht ausgestanden ist die Krise in den südlichen Euroländern. Immer noch stehen riesige Milliardenbeträge im Feuer. Wie geht es weiter?

Wichtig ist, dass durch eine verlässliche Handlungsorientierung und auch durch eine verlässliche Kommunikation der europäischen Politiker erst einmal wieder Märkte-Erwartungen stabilisiert werden können. Stabilisierung von Erwartungen heißt, die Dinge differenziert zu betrachten. Also: Portugal ist eine andere Geschichte als Irland und Griechenland, Spanien wiederum noch eine andere. Wir müssen Märkte dahin bekommen, differenzierte Bewertungen vorzunehmen– zeitweilig war das nicht der Fall, da ist alles in eins gerührt worden. Italien war da noch mit dabei, und ich glaube, das ist nicht der Sache angemessen.

Wir haben in Griechenland eine Krise des Staates, nicht allein eine Krise der Staatsfinanzen. Wir haben in Irland ein Phänomen, das aus der Bankenkrise heraus resultiert. Da wäre die Frage, ob Irland bei einer europäischen Durchschnittsbesteuerung statt seiner Niedrigsteuern nicht schon längst in der Lage wäre, seine Probleme wieder zu lösen. Und wichtig ist, dass die Politik, die gehandelt hat, jetzt nicht etwa zeigt: An den Erfolg glauben wir selbst nicht. Die Maßnahmen reichen und das muss die Botschaft sein. Und was Spanien und Portugal betrifft: Die sind weit entfernt von der Situation, wie wir sie in Griechenland haben, es sind Spielräume da. Aber es muss natürlich einiges getan werden, und unter dem Druck der Europäischen Union entsteht das auch. Dinge übrigens, die wir uns in Deutschland gar nicht so leicht vorstellen können, werden jetzt dort gemacht.

Besonders kritisch sieht die Öffentlichkeit die Entwicklung des Euroraumes, die Währung wird pauschal mit verdächtigt und angezweifelt. Was müsste die Politik tun, um den Bürgern einen klaren Ausweg aus der Schuldenkrise glaubhaft zu machen?

In der Tat ist das ein ganz wichtiger Punkt. Wieso ist es eigentlich eine Eurokrise? Währungskrisen, Krisen von Währungsunionen, das zeigt die Geschichte, sind immer politische Krisen. Immer Krisen politisch unzureichender Antworten. Wir hatten hier eine Lücke im System, nämlich für solche Fälle keine Instituitionen zu haben, keine Regeln – die sind jetzt mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus für 2013 einigermaßen definiert. Ich halte die auch für plausibel; diese Lücke wird gefüllt. Und die Politik hat auch, gerade jüngst in Davos, klare Signale gesetzt: Der Euro ist das Thema der Zukunft. Da muss man nacharbeiten, gewiss, aber die Öffentlichkeit muss auch verstehen, dass man mit solchen Krisen umgehen kann. Der Verlust des Euro würde uns alle sehr teuer zu stehen kommen.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich geradezu in einer Boomphase. Kann das so weitergehen? Und was werden die Arbeitnehmer davon haben?

Der Aufschwung weist deutlich nach vorne. Das ist nicht nur eine Geschichte bis zum Sommer 2011. Die Stimmung reflektiert im Grunde unsere Position in den internationalen Märkten. Wir gewinnen aus dem Strukturwandel, so wie er sich global darstellt. Dafür haben wir die richtigen Antworten in der deutschen Industrie, in Kombination mit industrienahen Dienstleistungen. Die Arbeitnehmer dürfen eins nicht vergessen: Im Rückblick ist 2009 der Produktivitätsverlust der Unternehmen hingenommen worden, die Lohnstückkosten sind um über 15 Prozent gestiegen. 2010 war das Jahr der Korrektur. Jetzt sind wir auf dem Pfad der Normalisierung. Metall und Elektro: 2,7 Prozent Lohnzuwachs, Textil: 3,6; entsprechend werden wir in der Chemie Tarifverhandlungen haben. So findet dieser Normalisierungsprozess in der Lohnpolitik statt. Aber allen muss klar sein: Auch jetzt gilt Vernunft als oberstes Gebot, wir wollen weiter Beschäftigung aufbauen. Wir sind bei unter drei Millionen registrierten Arbeitslosen, über 41 Millionen Erwerbstätigen. Das ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern ist auch Ausdruck lohnpolitischer Vernunft der letzten Dekade. Und deshalb ist das auch die Anforderung für die nächste Zeit: Die Beteiligung für alle ist am sichersten, wenn die Beschäftigung hoch ist. Und auf dem Weg sind wir.

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