Lassen sich hochgesteckte Klimaschutzziele mit hohen Sanierungsstandards erreichen? Nein, sagt Dr. Ralph Henger, Senior Economist mit Schwerpunkt Wohnungspolitik und Immobilienökonomik im Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
"Sanieren mit einfachem Standard lohnt sich am meisten"
Sie halten die Klimaschutzziele der Bundesregierung bis zu den Jahren 2020 bzw. 2050 im Gebäudesektor schon jetzt für nicht mehr erreichbar. Was bringt Sie zu dieser – doch etwas ernüchternden – Einschätzung?
Das Sanierungstempo, wie wir es gerade beobachten, ist einfach viel zu niedrig. Nur etwa ein Prozent des Bestands wird jährlich energetisch saniert, wir bräuchten aber eine Quote von zwei bis drei Prozent. Wenn wir im jetzigen Tempo weiter machen, werden wir bis zum Jahr 2020 etwa elf Prozent Einsparung an Wärmebedarf haben. Das Ziel aus dem Energiekonzept der Bundesregierung liegt aber bei 20 Prozent. Das schaffen wir schon nicht mehr. Bis zum Jahr 2050, das ist das zweite und wichtigste Ziel der Bundesregierung, sollen fast alle Gebäude in Deutschland klimaneutral sein. Dieses Ziel sehen wir auch als gefährdet an, wenn die Politik weiter solche Rahmenbedingungen setzt.
Damit es in diesem Bereich besser als bisher vorangehen kann, fordern Sie, dass die Politik der vergangenen Jahre grundsätzlich überdacht werden muss. Was lief aus Ihrer Sicht bisher schief?
Ein Punkt, den wir uns in einer Studie in diesem Jahr angeschaut haben, sind die Förderbedingungen. Es gibt viel zu viele Anbieter von Fördermitteln auf Bundesebene, Landesebene, kommunaler Ebene, auch von den Energieversorgern. Da findet sich niemand zurecht. Allein für energetische Gebäudesanierung und Austausch der Heizungsanlagen haben wir sage und schreibe 3.200 Programme gezählt. Das zeigt, dass es kein Konzept aus einem Guss gibt. Ein weiteres Beispiel: Die Politik hat darüber diskutiert, ob es eine steuerliche Förderung energetischer Sanierungen geben soll. Das wurde beschlossen, wieder zurück genommen, später wieder als Ziel ausgerufen, dann aber doch nicht umgesetzt. So schafft man keine Planungssicherheit für langfristige Investitionen. Vor allem aber müssen wir über sinnvolle Standards reden.
Welche KfW-Standards sollten in Zukunft bei energetischen Sanierungen der organisierten Wohnungswirtschaft im Mittelpunkt stehen, damit die Vorhaben ökonomisch, ökologisch und sozial vertretbar umgesetzt werden können?
Wenn man sich Kosten und Einsparungen auch unter Einbeziehung von Fördergeldern anschaut, dann ist unser Studienergebnis ganz klar: Sanieren mit einfachem Standard lohnt sich am meisten. KfW-115 zum Beispiel ist ein Standard, der ja auch gefördert wird. Das bringt im Kosten-Nutzen-Verhältnis in vielen Fällen mehr als der Griff zu höheren Standards. Noch vor fünf oder sechs Jahren hat man in der Politik gesagt: Wenn ein Gebäude angepackt wird, dann am besten Passivhausstandard und am besten auch keine Einzelmaßnahmen, sondern vom Dach bis zur Heizungsanlage im Keller alles auf einmal in Angriff nehmen. Diese Politik ist gescheitert, weil der Markt völlig anders aufgestellt ist. Einzelmaßnahmen sind wichtig und ein Schritt-für-Schritt-Vorgehen ist sinnvoll.
Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die aktuellen Vorgaben aus der Energieeinsparverordnung (EnEV)?
Die EnEV-Vorgaben sehe ich kritisch, weil wir mittlerweile ein Niveau erreicht haben, bei dem man ganz klar nur vom Ziel her denkt. Die EU macht die Vorgabe: Bis 2019 müssen die öffentlichen Gebäude, bis 2021 neue Wohngebäude einen Niedrigenergiestandard erfüllen. Das ist EU-Vorgabe, die müssen wir umsetzen, ich halte sie im Neubau aber schon für kritisch. Und im Bestand sollten wir auf jeden Fall entspannter an die Sache herangehen. Bei der letzten EnEV wurden in dem Bereich schon keine Verschärfungen mehr vorgenommen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Wir brauchen mehr Quantität und weniger Qualität, was die Höhe der Standards angeht. Wenn wir mehr Häuser sanieren und dies auf einem niedrigeren Standard, wird das Ziel klimaneutraler Gebäude langfristig wahrscheinlicher zu erreichen sein.
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