Deutschland gilt als Mieternation. Nur 45 Prozent der Haushalte leben in den eigenen vier Wänden. Auch das verschärft die Knappheit an bezahlbaren Wohnraum. Was können mögliche Lösungen sein? IW-Immobilienökonom Michael Voigtländer sprach mit dem Fondstelegramm über Baukindergeld, Zinswende und Hidden Champions auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt.
Wohnimmobilienmarkt: Von Baukindergeld über Grundsteuer bis Zinswende
In einem Artikel für Die Zeit im Dezember 2017 plädierten Sie dafür, dass die neue Bundesregierung der Mittelschicht den Hausbau erleichtern solle um die Mietsituation zu entspannen. Jetzt wurde die Eigenheimzulage recycelt und als Baukindergeld aufs Koalitionsgleis gesetzt. Sind Sie damit zufrieden?
Nein, bin ich nicht. Es ist zwar gut, dass Wohneigentum wieder auf der Agenda ist, aber das geplante Baukindergeld ist ein sehr teurer Weg, die Wohneigentumsbildung anzuregen. Wird das Baukindergeld noch dieses Jahr eingeführt, könnten die Kosten allein in dieser Legislaturperiode auf 4,5 Milliarden Euro ansteigen. Eine solche Förderung ist nicht notwendig, weil Wohneigentum bedingt durch die Zinsen sehr attraktiv ist. Was die Menschen aber am Kauf von Wohneigentum hindert, ist der enorme Kapitalbedarf bestehend aus Eigenkapital, Grunderwerbsteuer, Maklerkosten, Notar und Grundbuch. Da kommen schnell 30 Prozent des Kaufpreises zusammen. Hier sollte man ansetzen, zum Beispiel durch Bürgschaften, eine Reform der Grunderwerbsteuer und eine Anwendung des Bestellerprinzips auch bei Immobilienkäufen. Alle diese Maßnahmen wären genauso effektiv wie das Baukindergeld, aber deutlich günstiger.
Sie sprachen kürzlich davon, dass Wohneigentum schlicht günstiger als das Wohnen zur Miete ist. Das kann man bei den gestiegenen Immobilienpreisen kaum glauben.
Entscheidend ist ja die laufende Belastung aus Zins, Tilgung und Instandsetzung. Aufgrund der stark gefallenen Zinsen wird die Immobilienpreisentwicklung überkompensiert, daher ist Wohneigentum erschwinglicher geworden – wenn man sich den Einstieg leisten kann, sprich wenn man genügend Ersparnisse hat, um Eigenkapital und Nebenkosten aufzubringen. Gerade deshalb erachte ich es als wichtig, dass die Politik den Haushalten den Zugang zu Wohneigentum erleichtert. Mit den Grunderwerbsteuererhöhungen der letzten Jahre ist man aber leider einen anderen Weg gegangen.
Zum Thema Zinswende: Wann kommt sie?
Die EZB wird die Zinsen so lange wie möglich niedrig lassen. Viele Marktbeobachter erwarten erst 2019 eine Normalisierung der Geldpolitik. Allerdings muss beachtet werden, dass auch bei einem Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik die Zinsen für Immobilienkredite nur moderat steigen werden. Weltweit wird mehr gespart als investiert, was die Zinsen gering hält. Zinsniveaus von 4 oder 5 Prozent bei Baufinanzierungen sind daher in weiter Ferne, eine 2 vor dem Komma erscheint dagegen mittelfristig plausibel.
Bitte geben Sie uns einen Eindruck zum Wohnimmobilienmarkt in Deutschland. In welchen Regionen sehen Sie die Preisentwicklung kritisch, überbewertet oder Blasen bildend?
Ich sehe insgesamt keine spekulative Blase. Eine spekulative Blase ist letztlich ein psychologisches Phänomen, bei dem Investoren und Haushalten nur noch kaufen, weil sie auf weitere Preissteigerungen setzen. Tatsächlich haben wir aber eine hohe Nutzernachfrage, weil viele Städte gewachsen sind. Auch die typischen Zeichen, wie eine übermäßige Bautätigkeit und eine expansive Kreditvergabe, sind nicht feststellbar. Dennoch können die Preise auch mal wieder stagnieren oder leicht sinken, wenn sich die Rahmenbedingungen verschlechtern. Aufgrund der vorliegenden Daten würde ich insbesondere München und die Umlandgemeinden als hoch bewertet ansehen. Darüber hinaus bin ich skeptisch bezüglich Berlin – nicht wegen des Markts, sondern wegen der Politik. Angesichts der zahlreichen Eingriffe werden die Investoren ihre Erwartungen an die Mietpreisentwicklung wahrscheinlich korrigieren müssen.
Welche Regionen halten Sie für die „hidden champions“ im Bereich Wohnen?
Die Menschen finden zunehmend weniger Wohnraum in den Metropolen, daher müssen sie notwendigerweise ausweichen. Gut angebundene Städte im Umfeld der Metropolen haben daher gute Chancen. Städte wie Offenbach, Neuss oder auch Leverkusen haben die Möglichkeit, sich in den nächsten Jahren besonders gut zu entwickeln.
Wie wird die Novellierung der Grundsteuer aussehen?
Eine Einigung wird schwierig, das ist recht klar. Wahrscheinlich wird sich ein Modell durchsetzen, dass auf Flächen beruht, weil damit die Unterschiede zur jetzigen Besteuerung am geringsten sind. Ich selbst befürworte eine Bodenwertsteuer, weil eine solche Steuer nicht nur einfach zu erheben ist, sondern auch Bauland mobilisiert. Schließlich würde dann brachliegendes Bauland genauso besteuert wie ein Grundstück mit einem Hochhaus. Es wird spannend, wie diese Diskussion weitergeht.
Das Phänomen der Landflucht wurde jahrelang beschworen. Sehen wir schon erste Anzeichen einer Stadtflucht?
Der Wanderungssaldo der deutschen Bevölkerung ist teilweise negativ, sprich es verlassen mehr Haushalte die Metropolen als hinzuziehen. Allerdings ist dies eine Reaktion auf das zu geringe Wohnungsangebot. Die Menschen ziehen ja nicht zurück aufs Land, sondern sie ziehen in die Umlandgemeinden und müssen dann in die Metropole pendeln. Letztlich erweitern sich damit nur die Metropolregionen. Es bleibt damit eine Zukunftsaufgabe, mehr Wohnraum zu schaffen und die Verkehrsverbindungen zu verbessern, um den Zugang zu den Metropolen zu erleichtern. Schließlich ist davon auszugehen, dass zunehmend mehr und vor allem gut bezahlte Arbeitsplätze in den Metropolen entstehen.
Zum Interview auf fondstelegramm.de
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