Mit einer Studie über zu viel Neubau in ländlichen Regionen und Zersiedelung in Dörfern hat das IW Köln kürzlich viel Aufsehen erregt. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beantwortet IW-Ökonom Michael Voigtländer Fragen zu Forschungsergebnissen und geht auf Argumente von Kritikern ein.
„Steigende Zinsen treffen zuerst das Land“
Alle Welt stöhnt über den Wohnungsmangel in Deutschland. Sie haben dagegen kürzlich Aufsehen erregt mit dem Hinweis, dass es zu viel Neubau gibt, unter anderem als Autor des Buches „Luxusgut Wohnen“. Welche weiteren Kernergebnisse haben Sie zu bieten?
In den Großstädten gibt es tatsächlich Wohnungsmangel, hier kann die Bautätigkeit mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Wir haben uns diesmal aber gezielt Landkreise angeschaut, und hier sind die Ergebnisse gänzlich anders. Zwischen 2011 und 2015 sind in den Landkreisen rund 20 Prozent mehr Wohnungen entstanden, als dies aufgrund der demographischen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre. Und bei den großen Wohnungen oder den Einfamilienhäusern sind es sogar doppelt so viele. Gerade in den Landkreisen, wo Bauland im Gegensatz zu den Städten noch reichlich vorhanden ist, hat die Niedrigzinsphase die Bautätigkeit stark angeregt.
Die Glaubwürdigkeit Ihrer Studie ist mit dem Hinweis bezweifelt worden, dass die Zuwanderung auch 2016 stark war, und zwar zum Teil auch auf dem Land. Was halten Sie dem entgegen?
Noch liegen keine aktuelleren statistischen Werte vor. Klar ist aber, dass im Jahr 2016 die Zuwanderung nach Deutschland sehr hoch war – auch in manchen Landkreisen, vor allem weil Flüchtlinge zunächst auf bestimmte Kommunen verteilt worden sind. Allerdings ist noch vollkommen offen, ob die Flüchtlinge auch dort bleiben, denn auch sie zieht es verstärkt in die großen Städte. Es gab auch Kritik aus einzelnen Landkreisen, weil etwa der Bau von Ferienwohnungen anders beurteilt werden kann. Insgesamt aber sollen die Zahlen Fragen aufwerfen: Werden die heute gebauten Wohnungen und Häuser langfristig wirklich gebraucht, bedarf es tatsächlich der weiteren Ausweisung von Bauland? Wenn unsere Studie hierzu Diskussionen vor Ort auslöst, war sie schon ein Erfolg.
Falls auf dem Land zu viel gebaut wird: Was folgt daraus?
Wird mehr gebaut als nachgefragt, werden die Preise sinken, zumal wenn die Zinsen wieder anziehen. Schon die Erfahrungen in Spanien oder Irland haben gezeigt, dass eine Korrektur im Markt vor allem die ländlichen Regionen trifft. Fast wichtiger aber ist: Neue Baugebiete entstehen abseits der Zentren der Dörfer und Kleinstädte – auch dort, wo die Bevölkerung konstant bleibt oder schrumpft. Da der Neubau bezogen wird, entstehen Leerstände in den verbliebenen Zentren. Durch diese Zersiedlung steigt der Infrastrukturbedarf. Das schränkt über höhere Gebühren die Attraktivität des ländlichen Raums weiter ein. Hinzu kommt, dass Leerstände oft Verfallprozesse auslösen, die die Attraktivität weiter schmälern. Gerade wenn Städte schrumpfen, ist es wichtig, sie kompakt zu halten und die Innentwicklung zu unterstützen.
Wie sehen Sie die Zukunft des ländlichen Raums gerade im Hinblick auf die generelle Tendenz der Urbanisierung?
Die Städte, gerade auch die Großstädte, sind zu Wachstumsmotoren geworden. Überproportional viele gut bezahlte Arbeitsplätze sind in den Großstädten entstanden, und dies wird sich fortsetzen. Wissensintensive Dienstleistungen werden immer wichtiger, und hier bedarf es des direkten Austausches von Fachkräften, Unternehmen und Kunden. Der Sog der Städte wird daher anhalten, auch wenn vermehrt Menschen wieder ins Umland der Großstädte ziehen, weil in der Stadt nicht ausreichend Wohnungen vorhanden sind. Landkreise und Gemeinden abseits der Metropolen ohne gute Verkehrsanbindung an die Städte werden dagegen weiter an Bevölkerung verlieren. Dort steigt zunehmend das Durchschnittsalter, weil die jungen Menschen aufgrund der Perspektiven wegziehen. Durch den Abbau der Infrastruktur sinkt die Attraktivität weiter. Es ist eine große gesellschaftliche Herausforderung, diese Entwicklung zu moderieren und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Eines ist aber klar: Die Erfahrungen in Ostdeutschland zeigen, wie schwierig es ist, Leerstände abzubauen. Daher ist es so wichtig, heute vor Ort kritisch zu prüfen, ob die Weichen für den Wohnungsbau richtig gestellt sind.
Wohneigentum wird wieder erschwinglicher
Aktuelle Ergebnisse des IW-Wohnindex zeigen, dass sich die Erschwinglichkeit von Wohneigentum im 3. Quartal 2024 deutlich verbessert hat. Ist dies die Wende im Wohnungsmarkt? Im 1aLage Podcast beantwortet IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer unter anderem ...
IW
IW-Wohnindex: Eigentum wird wieder erschwinglicher
Die eigenen vier Wände sind heute erschwinglicher als noch vor zwei Jahren, wie der IW-Wohnindex für das dritte Quartal 2024 zeigt. Sinkende Zinsen und steigende Einkommen spielen Käufern in die Karten, trotz nun wieder steigender Kaufpreise.
IW