IW-Direktor Michael Hüther über das kommunikative Versagen von Eliten und die Überforderung der Bürger durch die Kanzlerin.
Unsicheres Terrain
Herr Hüther, VW-Chef Müller hat durch ein missglücktes Interview viel Vertrauen verspielt. Warum tun sich Manager so schwer, das Richtige zu sagen?
Immer wieder geraten Manager ins Stolpern, wenn sie im öffentlichen Raum und nicht in ihrer gewohnten beruflichen Umgebung auftreten. Die meisten haben zwar große Kommunikationsabteilungen. Aber 95 Prozent der Kommunikation findet nach wie vor in und zwischen den Unternehmen statt. Banker reden mit Investorengruppen. Manager und Unternehmer mit Kunden und Mitarbeitern. Wenn aber ein Problem wie bei VW auftritt, wird es ungewohnt schwierig.
Auch, weil sie nicht mit einer kritischen Öffentlichkeit umgehen können?
Das ist sehr unterschiedlich. Bei Volkswagen hatte man offenbar Führungskräfte mit Zielvorgaben konfrontiert, die nicht zu erreichen waren. Rechtlich fragwürdige Handlungen waren die Folge. Hinzu kommt das Problem, einen derart riesigen Konzern so zu organisieren und kulturell so zu prägen, dass es stetes Feedback von unten nach oben gibt. Durch die Digitalisierung wird es aber immer schwieriger, die herkömmliche Linienorganisation durchzuhalten.
Wir reden schon lange über das kommunikative Versagen in der Wirtschaft. Woran liegt das?
Die Talkshows bekommen kaum einen Manager oder Unternehmer, der sich zu einem aktuellen politischen Thema äußern will. Geschweige denn zu einem Skandal im eigenen Unternehmen. Da will sich niemand auf ein unsicheres Terrain mit einer unkalkulierbaren, aber auch ungewohnten Kommunikation einlassen.
Liegt das nicht auch an den gesetzlichen Vorgaben, die Unternehmen erfüllen müssen?
Ja, aber nicht nur. Der Wirtschaftselite fehlt nicht selten das Verständnis für den öffentlichen Raum. Sonst wären das Victory-Zeichen des früheren Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermanns oder der bewusste "Peanuts-Vergleich" eines seiner Vorgänger, Hilmar Kopper, nie passiert.
Auch die Politprofis sprechen nicht immer so, dass das Volk ihnen folgt. Nehmen Sie den berühmten Satz von Kanzlerin Merkel: "Wir schaffen das." Ist das ein Beispiel für verfehlte Kommunikation?
Der Satz überfordert viele Menschen. Natürlich muss Politik führen und handeln. Aber der Satz blendet die Bedingungen aus, wie das zu schaffen ist. Es ist eben nicht Gott gegeben, dass wir das schaffen.
Die Kanzlerin hat den Satz ja mehrfach wiederholt. Es war also kein Ausrutscher, sondern eine gezielte Botschaft.
Der Satz spiegelt das Merkel'sche Diktum der Alternativlosigkeit. Wenn es keine Alternative gibt, dann müssen wir es schaffen. In dieser Diktion ist das stimmig. Nur für eine erwachsene Gesellschaft, die vorurteilsfrei die Alternativen zu bedenken hat, passt das nicht.
Wollen die Menschen wirklich komplexe Antworten oder wollen sie nicht jemanden, der Führungsstärke zeigt?
Nehmen Sie den Führungsstil von Barack Obama. Der US-Präsident hat früher meist auf einer hohen moralischen Ebene gesprochen. Doch von diesem "Yes, we can" ist nicht viel übrig geblieben. Zum Schluss hat Obama alle seine Versprechen an immer mehr Bedingungen geknüpft. Obama ist mit "Yes, we can" gestartet und ist am Ende seiner Amtszeit in der Realität angekommen. Merkel geht genau den entgegengesetzten Weg.
Sind Populisten wie Donald Trump die besseren Kommunikatoren?
Populisten sind meist unterhaltsamer und wirken oberflächlich weniger angepasst, das gefällt vielen. Der Unterschied zum sicher mühevollen, aber kommunikativ abgeschliffenen Alltag der Berufspolitiker ist markant. Zugleich wird die Sehnsucht nach einfachen Lösungen bedient. Populisten machen es sich kommunikativ einfach, aber ihre Lösungen halten der politischen Realität nicht stand.
Wie würden Sie den Kommunikationsstil des russischen Präsidenten beschreiben?
Putin wurde gewählt, und seine Popularität ist ungebrochen. Dafür ist sicher auch verantwortlich, dass in dieser noch jungen Demokratie mit all ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten sein Kommunikationsstil von vielen Russen als Klartext empfunden wird. Aber schon die Bedingungen sind unvergleichlich zu denen von Obama oder Merkel.
Können Sie noch ein paar Beispiele für gelungene Kommunikation nennen?
Nehmen Sie die Chemieindustrie, die es mit guter Kommunikation und engagiertem Handeln in den letzten zehn Jahren geschafft hat, aus der Schmuddelecke des Umweltverschmutzers herauszukommen. Auch die Agenda 2010 ist ein Beispiel für gelungene Kommunikation, auch wenn sie Gerhard Schröder die Kanzlerschaft gekostet hat. Die großen Reformen auf dem Arbeitsmarkt und in der Altersvorsorge wurden damit möglich. Deutschland ist heute moderner, liberaler, offener und krisenfester geworden.
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