Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland warnt IW-Direktor Michael Hüther vor einem Handelskrieg. Dieser würde an der deutschen Wirtschaft nicht spurlos vorbeigehen.

„Unser Erfolg ist bedroht”
Herr Hüther, ab heute wollen sich die USA und China mit Milliardenzöllen belegen. Welche Auswirkungen hat das auf Deutschland?
Wenn zwei der wichtigsten Handelspartner Deutschlands in einen Handelskrieg einsteigen, wird dies mit Sicherheit nicht spurlos an unserer Wirtschaft vorbeigehen. Deutschlands wirtschaftlicher Erfolg der letzten Jahre hängt in hohem Maße vom Exportgeschäft ab.
Wie groß ist die Abhängigkeit?
Rund 7 Prozent der deutschen Exporte entfallen auf China, 9 Prozent auf die USA. Deutschland hat - anders als die USA - stark vom wirtschaftlichen Aufstieg Chinas profitieren können. Vor diesem Hintergrund wird insbesondere der Einfluss von US-Handelssanktionen auf Chinas Wachstum auch Rückwirkungen auf das deutsche Exportgeschäft in China haben.
Müssen wir uns auf ein Ende des Wirtschaftsbooms einstellen?
Da gibt es unterschiedliche Signale. Einerseits befinden sich die Vereinigten Staaten in einer weiterhin stabilen Aufschwungsphase. Andererseits waren die Industrieproduktion und Auftragseingänge in Deutschland und der Eurozone im ersten Quartal rückläufig. China wächst nach offiziellen Zahlen auffällig konstant mit rund 7 Prozent. Inoffizielle Schätzungen zeigen aber einen Rückgang auf rund 4 Prozent in 2017 und 2018 - ein beachtlicher Rückgang im Vergleich zu den zweistelligen Wachstumsraten Anfang des Jahrtausends. Insbesondere das deutsche Wachstum hängt an der wirtschaftlichen Entwicklung der Schwellenländer. Insgesamt wird das globale Wachstum stark vom weiteren Voranschreiten des Protektionismus abhängen.
Die Finanzmärkte sind bereits nervös. Droht dort eine neue Krise?
Trotz aller politischer und wirtschaftlicher Risiken haben wir zuletzt eine sehr geringe Volatilität an den Finanzmärkten gesehen. Insbesondere in den USA haben sich die Aktienkurse praktisch von der Realwirtschaft entkoppelt: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für US-Aktien ist derzeit auf einem ähnlichen Höchststand wie im Vorfeld der New-Economy-Blase im Jahr 2002. In diesem Kontext sind gerade die Deregulierungsfantasien der Trump-Administration als besonders kritisch zu betrachten.
Falls es zur Krise käme: Haben die Zentralbanken noch Pfeile im Köcher, um diese zu bekämpfen?
Die Zentralbanken haben den Regierungen nach der Wirtschaftskrise Zeit gekauft, die diese unterschiedlich gut genutzt haben, um ihre Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen. Im Falle einer neuen Krise ist die geldpolitische Werkzeugkiste sehr begrenzt: Als letztes Mittel wird häufig das Helikoptergeld vorgebracht - also der direkte Cash-Transfer der Zentralbank an die Bürger -, das jedoch einen einmaligen und irreversiblen Stimulus darstellt. Insgesamt gilt: Geldpolitische Impulse sind kaum zu erwarten.

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