Michael Hüther, 50, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, über den Aufruf von mehr als 170 anderen Ökonomen zur Euro-Krise.
"Pure Stimmungsmache"
Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, hat zusammen mit weiteren Wirtschaftswissenschaftlern seine "lieben Mitbürger" aufgefordert, gegen den EU-Beschluss einer Bankenunion aufzubegehren. Warum haben Sie nicht unterzeichnet?
Ganz ehrlich: Ich wundere mich, wie man als Wissenschaftler einen so kruden Text unterschreiben kann. Wenn das der Beitrag der deutschen Volkswirtschaftslehre zur Euro-Krise ist, bin ich ernsthaft über unseren Berufsstand besorgt.
Was werfen Sie den Unterzeichnern vor?
Wissenschaftler können nicht wie der Papst in tiefer Sorge eine Enzyklika verfassen. Sie müssen ihre Argumentation immer auf Fakten stützen - und nicht auf Emotionen. Das Papier ist aber pure Stimmungsmache. Namhafte Ökonomen tun so, als sei Kanzlerin Angela Merkel von anderen europäischen Regierungschefs über den Tisch gezogen worden und als müsse Deutschland künftig für die Bankschulden in anderen Ländern unbegrenzt haften. Beides ist sachlich falsch.
Den Eindruck hat auch der italienische Premier Mario Monti erweckt.
Das mag sein, aber das heißt ja noch nicht, dass er recht hat. Die Brüsseler Beschlüsse sind, erstens, undramatisch und, zweitens, richtig. Sie eröffnen die Möglichkeit, zielgenau den Bankensektor in ganz Europa zu stabilisieren. Das ist auch in unserem nationalen Interesse.
Fürchten Sie, dass Sinn und seine Kollegen in der öffentlichen Debatte die Oberhand gewinnen?
Ich kann nur hoffen, dass sie das nicht tun. Wenn man ihre Argumentation zu Ende denkt, kann es keinen dauerhaften Rettungsschirm geben. Nach jetzigem Stand würde dies das Ende der Währungsunion bedeuten. Das kann doch keine ernsthafte Perspektive sein - zumal Sinn und seine Mitstreiter keine Alternative zur aktuellen Rettungspolitik bieten.
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