Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Michael Hüther, sieht Europas Wirtschaft für den Fall von immer mehr Protektionismus in den USA gut gewappnet. "Europa hat eigene Möglichkeiten", sagte er im Deutschlandfunk. Chancen sieht er vor allem im Handel mit China.
"Nicht wie das Kaninchen auf die Schlange schauen"
Herr Hüther, zuerst China, dann Mexiko. Sind deutsche Unternehmen, deutsche Exporteure die nächsten auf Donald Trumps Liste?
Wenn man, wie Sie es beschrieben haben, dieser Logik folgt, dass das, was irgendwie mal angesprochen wird, auch kommt, wird man davon ausgehen müssen, dass er das Thema aufgreift. Wie weit er wirklich dann auch von den Tatsachen sich leiten lässt, dass beispielsweise deutsche Automobilhersteller in den USA große Werke haben, aus den USA heraus produzieren und exportieren, dass mittlerweile ja auch in den letzten zehn Jahren die Produktionszahlen beispielsweise im Automobilbereich in den USA nicht mehr zurückgegangen ist und er ja das mit einem Bild kontrastiert, dass es überall nur industrielle - wie nannte er das - Grabsteine gibt, das wird man sehen müssen, ob er mit diesen Fakten dann noch umgeht, oder ob er von seinen Ideen her sich prägen lässt.
Wenn es die Ideen sind, die ihn bestimmen, was kommt dann auf uns zu?
"Es ist nicht wirklich absehbar, was er hier inszeniert"
Dann wird er - nicht wie in der Schärfe wie mit Mexiko - Dinge aufrufen, nach dem Motto, es müssten mehr amerikanische Autos bei uns vor der Tür stehen und dort auch. Er verkennt dabei, dass natürlich die amerikanischen Hersteller in Deutschland präsent sind, Ford und Opel als Teil von General Motors. Es ist nicht wirklich absehbar, was er hier inszeniert, denn das, was die deutschen Automobilhersteller auch in den USA machen, sie nutzen den Standort dort selbst und sie produzieren nicht nur für den amerikanischen Markt, also das, was er ja eigentlich will - sie schaffen Arbeitsplätze, 8.000 in Spartanburg beispielsweise -, sondern sie exportieren auch in die Welt. Insofern ist völlig unklar, wie weit das geht. Einen generellen Zoll kann ich mir nicht vorstellen, denn die anderen Dinge, die wir mehrheitlich exportieren, Maschinenbau, im Bereich Datenverarbeitung, das sind alles Dinge, die die amerikanische Volkswirtschaft benötigt und woanders auch nicht so leicht bekommt.
Herr Hüther, schauen wir mal auf die andere Seite des Globus. Trump hat den Handel mit dem pazifischen Raum erst mal ad acta gelegt für die USA. Alle sehen jetzt darin Chinas große Chance, haben wir gerade auch noch mal von unserem Korrespondenten gehört. Ist das auch Deutschlands große Chance?
Deutschland hat ja den Vorteil, sich immer als verlässlicher Partner über die Zeit platziert zu haben. Es ist ja auch eben gesagt worden, nichts fürchten die Chinesen mehr als Unberechenbarkeit. Und das ist das, was Deutschland gerade nicht darstellt. Deutschland ist berechenbar, ist ein fairer Partner, und China ist genau auf der Suche nach solchen, und insofern ist Deutschland in Europa der wichtigste Partner, den China dann hat. Und die Idee, in das transpazifische Abkommen von der europäischen Seite einzusteigen, hat natürlich einen großen Charme, denn China ist ein wichtiger Handelspartner und China hat ja das Problem, dass es in seinem Umfeld nur neun Prozent der eigenen Exporte absetzt, in den Nachbarländern. Es ist viel mehr darauf angewiesen, in die Ferne zu gehen. Deutschland beispielsweise setzt 37 Prozent der eigenen Waren im direkten Umfeld, in den Nachbarländern ab. Also das hat eine Logik.
Schauen wir mal auf die nicht ganz so logische Seite. China gibt sich ja als Champion des freien Handels. Aber jeder, der da Geschäfte macht, der weiß, dass das so toll nicht stimmt, weil vieles sehr schwierig ist in China. Natürlich gibt es Handelshemmnisse. Ist es trotzdem die bessere Alternative für deutsche Unternehmer?
Nein, die bessere Alternative nicht, aber man schaut, was man in diesen Märkten machen kann. Und ein deutscher Unternehmer weiß, dass, wenn er in China selbst investiert, in Werke dort, er nicht mit der neuesten Technologie hingeht, weil durch ein danebengesetztes staatliches Unternehmen diese Technologie sehr schnell quasi übernommen wird und das sicherlich kein fairer Teil ist. Es kann aber gerade das Umgehen der USA mit der Welt im Augenblick dazu führen, dass das für China auch in dem Sinn eine Lektion ist, dass sie selbst sich dann wirklich dem auch verpflichten müssen, was der chinesische Staatspräsident in Davos so groß als Verpflichtung zum Freihandel genannt hat. Man kann hier auch davon ausgehen, dass die Chinesen durchaus anpassungsfähig sind, wenn der Preis dafür überzeugend ist, nämlich verlässliche Partner zu haben.
Aber glauben Sie das wirklich, was der Präsident da gesagt hat, dass das auch wirklich so gemacht wird?
Na ja, zunächst ist es Rhetorik und zunächst ist es natürlich der geschickte Versuch, in eine Lücke zu gehen, die Amerika lässt - in Davos, aber natürlich jetzt auch im transpazifischen Raum, wo China ja auch überlegt, in diese Partnerschaft anders einzusteigen. Bei dem TPP, bei dem transpazifischen Abkommen war China ja nicht dabei. Aber man wird sehen und auch von chinesischer Seite erkennen müssen, dass das nicht zu den alten Bedingungen geht. Insofern sind sie ja immer auch Realpolitiker und die Dinge dann anzupassen, wenn man verlässliche Partner gewinnt.
"Es gibt keinen vorauseilenden Gehorsam"
Wenn Sie ein deutscher Unternehmer wären mit Interessen und vielleicht auch einem Unternehmen in den USA, würden Sie jetzt schon Pläne für den Fall dass machen, oder würden Sie abwarten?
Nein. Es ist ja grundsätzlich eine wichtige Logik zu sagen, an Auslandsstandorten immer so stark platziert zu sein, dass, wenn die mal wegbrechen, man selbst das eigene Unternehmen nicht gefährdet. Das ist immer die Ausgangsbedingung. Das sollte grundsätzlich so sein. Das heißt, man muss immer diese Flexibilität haben. Aber ansonsten gibt es keinen vorauseilenden Gehorsam, sondern betriebswirtschaftliche Logik muss am Ende tragen. Wenn die für Amerika dann in Frage gestellt wird, muss man daraus die Schlüsse ziehen. Vorauseilendes Verhalten oder gar Anbiederung ist kein guter Rat.
Schauen wir noch mal auf die Freihandelsabkommen. Das TTIP-Abkommen EU-USA, das wird es wohl nicht geben. Sehen Sie einen Sinn darin, wird es etwas bringen, wenn die EU sich jetzt verstärkt auf Freihandelsabkommen im asiatischen Raum, vielleicht auch Lateinamerika und darüber hinaus engagiert?
Man darf ja auch nicht übersehen, die EU hat ja eine Reihe von bilateralen Handelsabkommen in der Verhandlung, so wie das mit Südkorea schon abgeschlossen ist.
Und mit Japan.
Das heißt, da ist man sehr stark unterwegs und nutzt diese Möglichkeiten. Und wenn jetzt ein ganzer Raum freigegeben wird, die Amerikaner im Grunde rausgehen, damit auch ihre Scharnierfunktion zwischen dem atlantischen und dem pazifischen Raum aufgeben, dann ist das für Europa eine kluge Überlegung und dann kann Europa auch zeigen, wie wichtig es ist. Denn das macht keinen Sinn, wie die Briten das jetzt versuchen, jeder für sich. Der europäische Raum ist groß, der Binnenmarkt ist stark, der ist für andere attraktiv, viel attraktiver als Großbritannien als Handelspartner, und insofern hat man hier eigentlich eine gute Ausgangsposition. Das ist sicherlich eine gute Überlegung.
Ist es dabei ein Problem, dass die EU für so was immer lange braucht, weil sie eben nicht wie Großbritannien nur ein Land sind, sondern 28, demnächst noch 27?
Auch hier gilt, dass sich die Dinge natürlich verändern durch die Rahmenbedingungen und durch das Reden aus Amerika und durch die Möglichkeiten, die sich verändern. Man merkt ja schon beispielsweise, wie sich die Tonlage zwischen Polen und Berlin verbessert, weil man merkt, man muss sich gemeinsam aufstellen. Die EU ist ja eigentlich von Problemen umzingelt. Wir haben im Osten Russland und Putin in seiner Unberechenbarkeit. Wir haben die Türkei und Erdogan, dann das Flüchtlingsthema im Mittelmeer-Raum und dann die Brexit-Geschichte und jetzt die USA. Es gibt alle Gründe, jetzt erst recht Europa gemeinsam aufzustellen, und in der Handelspolitik gibt es ja am wenigsten eigentlich gemeinsame Interessensgegensätze, sondern da ist man wirklich gemeinsam aufgestellt. Da erarbeitet man sich gemeinsam Möglichkeiten in der Welt. Da sind es eher die Fragen, wie man das in der eigenen Bevölkerung vermittelt, aber nicht, wie die Europäer das gemeinsam machen. Insofern glaube ich, auch hier wird sich etwas ändern, weil Europas Logik noch viel mehr in den Vordergrund rückt.
"Wir müssen hier zuhause uns ordentlich aufstellen"
Das heißt, was die USA machen, für Sie bringt das den Europäern unterm Strich mehr Chancen?
Es gibt zumindest eine Situation, wo Europa Chancen hat. Es ist nicht so, dass man jetzt wie das Kaninchen auf die Schlange Richtung USA schauen muss und abwarten, was dem Herrn noch alles einfällt. Europa ist ein großer Binnenmarkt. Seine wirtschaftliche Dynamik stabilisiert sich auch von den Krisenländern her. Insofern haben wir eigene Möglichkeiten. Wir müssen hier zuhause uns ordentlich aufstellen, dann haben wir diese Möglichkeiten in der Welt auch. Und da wird man sehen, wie das insgesamt ausgeht. Ein Land wie die USA abzuschotten und auch die Migration auszublenden, ist keine gute Idee für eine solche Volkswirtschaft, die dort angewiesen sind auf die Zuwanderung. Die merken es ja jetzt schon, die Universitäten beispielsweise sind hell aufgeregt.
Zum Interview auf deutschlandfunk.de
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