Das von der Union geplante Familiensplitting ist einer Untersuchung zufolge teuer, bevorzugt Besserverdienende und hält Mütter von der Rückkehr in den Job ab. Wirtschaftsforscher Michael Hüther plädiert stattdessen für bessere Kinderbetreuung und fordert Unternehmen auf, mehr für Familien zu tun.
"Ich glaube nicht, dass ein Familiensplitting kommt"
Die Kinderbetreuung wird bereits ausgebaut, sogar einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz gibt es bereits. Warum wird trotzdem immer noch geklagt, für Familien werde zu wenig getan, und warum kündigen fast alle Parteien weitere Wohltaten an?
Ich sage es mal so: Für eine Bundesregierung ist es relativ einfach, ein Betreuungsgeld einzuführen oder das Kindergeld zu erhöhen. Bei der Kinderbetreuung ist sie aber auf die Länder und Gemeinden angewiesen. Da kann der Bund zwar Geld überweisen, aber die Kommunen versuchen häufig, ihre Finanzlage auch auf diesem Wege zu stabilisieren.
Die Union möchte das Ehegattensplitting, das es so nur noch in Luxemburg und Polen gibt, zu einem Familiensplitting ausweiten. Halten Sie das für sinnvoll?
Ich persönlich sehe das Ehegattensplitting gar nicht so kritisch, wie das immer diskutiert wird, aber eine Ausweitung zum Familiensplitting ist meiner Meinung nach nicht zielführend. Zum einen bin ich bei Familienförderung über die Steuerpolitik generell skeptisch. Der Steuertarif muss leistungsgerecht und fair sein, auch bei Familien – aber die Instrumente gibt es alle schon.
Das Unionsmodell sieht ja auch noch vor, das Kindergeld um 35 Euro zu erhöhen, was den Staat immens viel Geld koste, aber keinen greifbaren Effekt haben wird. Das Betreuungsgeld ist in diesem Zusammenhang besonders negativ: Es gibt Müttern auch noch den vollkommen falschen Anreiz, möglichst lange der Arbeit fern zu bleiben. Wenn man die zwei Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld kostet, in Kindertagesstätten und Ganztagsschulen stecken würde, wo wir die größten Probleme haben, dann wäre viel gewonnen.
Heißt das, die Parteien sollten komplett darauf verzichten, den Familien etwas Gutes tun zu wollen?
Das deutsche Familienleistungssystem geht ja schon vom Kindergeld über den Kinderfreibetrag und die Ausbildungsförderung bis zum Freibetrag für Alleinstehende, ich glaube nicht, dass man da noch etwas draufsetzen muss. Aus Sicht der Eltern fehlt es nicht am Geld, sondern an der Infrastruktur und der Zeitsouveränität. Diesen Mangel können Sie mit finanziellen Mitteln nicht kompensieren.
Glauben Sie wirklich, dass die Parteien das Thema Familienpolitik im Wahlkampf aussparen werden?
Ich sehe da zwischen den Parteien eigentlich keine substantiellen Streitpunkte. Außer beim Betreuungsgeld gibt es einen großen Konsens: Die Kinderbetreuung muss ausgebaut werden, da sind sich alle einig. Ich glaube nicht, dass wir ein Familiensplitting bekommen. Das hatte die Union schon 1994 in ihrem Wahlkampfprogramm. Die Einführung ist sehr kompliziert und das Steuerrecht wird dadurch auch nicht einfacher - und effektiv ist es auch nicht.
Zum Interview auf Spiegel Online

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