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(© Foto: THOMAS KNAUER - Fotolia)
Michael Hüther in der deutschen Universitätszeitung Interview 22. August 2013

"Ein Freiheitsraum mit wenig Regeln"

Vorschriften sollen vor Willkür schützen – sie schränken aber auch die Freiheit ein. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln vergibt im Jahr 2015 erstmals einen Wissenschaftspreis Bürokratie. Wie konnte es dazu kommen? Institutsdirektor Michael Hüther über gute und schlechte Regeln.

Herr Professor Hüther, Bürokratie gilt gemeinhin als lästiges, bekämpfenswertes Übel. Ihr Institut widmet dem Amtsschimmel einen Wissenschaftspreis, der mit 5000 Euro dotiert ist. Warum?

Die Idee dazu stammt vom ersten Direktor unseres Instituts, Fritz Hellwig. Er hatte den Preis angeregt. Fritz Hellwig interessierte sich immer schon dafür, welche Rolle Bürokratien in einer marktwirtschaftlichen Ordnung spielen. Das ist ja ein schmaler Grat: Auf der einen Seite garantieren sie Verlässlichkeit und stabile Strukturen, auf der anderen Seite können sie zu Wettbewerbsferne und Verkrustung führen und entwickeln auch gerne mal ein Eigenleben.

Wie bekommt man die Balance zwischen diesen Polen hin?

Es gilt der banale Spruch: Wir brauchen so viele Regeln wie nötig und so wenige wie möglich. Grundsätzlich kann eine Gesellschaft ohne Regeln nicht funktionieren – so wie Autoverkehr ohne Ampeln und ohne Verkehrsschilder nicht funktioniert. Allerdings kann ein Schilderwald oder eine falsche Einstellung der Ampeln auch jeden Verkehr zum Erliegen bringen. Gut gemachte Regeln und Bürokratien entlasten Wirtschaft und Gesellschaft. Und genau das soll der Preis befördern: die Erforschung dessen, was Bürokratien wirklich bewirken – die gewollten positiven Effekte, aber auch die ungewollten negativen Auswirkungen.

Das heißt, Sie betreiben hier eine Art Imagerettung für die Bürokratie.

Ich würde das etwas nüchterner betrachten. Es geht ja nicht nur um staatliches Handeln. Auch Unternehmen sind bürokratische Einrichtungen, und Großunternehmen leben vonBürokratie, sonst sind sie gar nicht handlungsfähig. Wenn in Unternehmen Dinge nicht funktionieren, liegt eine Ursache oft in der fehlerhaften Regelstruktur. Das macht die Sache gerade so interessant: Wo sind Bürokratien freiheitssichernd? Und wo sind sie freiheits- und entwicklungshemmend?

Universitäten gelten in Deutschland organisatorisch als Großtanker. Sind sie besonders anfällig für bürokratische Wucherungen?

Historisch betrachtet sind Universitäten ein ganz eigener Raum für Freiheit fern von Bürokratie. Die klassische Universität wurde immer vom Ordinarius her gedacht – nicht im Sinne einer Herrschaftsstruktur sondern im Sinne von Freiheit, die dieser Lehrstuhlinhaber in Forschung und Lehre hat. Ihm kann nur sehr beschränkt hineingeredet werden – auch wenn die Politik das immer wieder versucht, etwa über Berufungspolitik oder Mittelzuweisung. Aber von der Grundidee her ist die Universität erst einmal ein Freiheitsraum mit möglichst wenig Regeln. Heute erleben wir allerdings einen Umfang an Regulierung, der uns wirklich Sorge machen muss.

Woran liegt das?

Nehmen Sie den Lebensweg von Fritz Hellwig: Er wurde 1912 geboren, studierte dann in Marburg, Wien und Berlin – mal drei Semester hier, mal zwei Semester dort. Das war damals von viel größerer Selbstverständlichkeit, weil das Studium so wenig formal strukturiert war. Man folgte im Grunde den eigenen Interessen und den Empfehlungen des Doktorvaters.

Damalige Universitäten sind mit den heutigen aber nicht zu vergleichen, allein schon von der Studentenzahl her.

Natürlich steht die Massenuniversität vor ganz anderen Herausforderungen. Sie braucht viel mehr Bürokratie und Formalisierung, das ist klar. Aber wenn Sie die Bologna-Reformen als hochgradig geregelten Prozess betrachten, dann frage ich mich schon, ob wir diesen bürokratischen Aufwand tatsächlich brauchen, um die Mobilität der Studierenden – wieder – herzustellen. Und ob sich der Aufwand lohnt angesichts der Zahl derer, die das wirklich nutzen. Wenn Sie dann noch die kleinteilige thematische Ausdifferenzierung der Studiengänge dazunehmen, dann haben Sie ein Regelwerk, das weder transparent noch orientierend ist. Kurz: zu viel Bürokratie.

Wenn jemand in diesem Feld forscht und seine Ergebnisse beim Wissenschaftspreis einreichen will – wie bürokratisch ist das Teilnahmeformular?

Es gibt gar kein Formular, sondern nur eine einfache E-Mail-Adresse, an die man seine Arbeit schickt – mehr ist gar nicht nötig. (Wissenschaftspreis-Buerokratie@iwkoeln.de)

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