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Michael Hüther auf derStandard.at Interview 18. März 2015

"Die Griechen haben keine Freunde mehr"

Die neue griechische Regierung hat ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Dabei ist sie nicht ins korrupte System verstrickt und könnte viel bewirken, sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, im Interview mit der österreichischen Zeitung Der Standard.

Die österreichische Konjunktur will nicht vom Fleck, die deutsche ist voll in Schwung. Bei den Jobs ist es ähnlich. Hat Europa einen neuen kranken Mann?

Ich würde nicht sagen, dass Österreich der neue kranke Mann Europas ist. Aber es zeigt sich, dass wirtschaftspolitische Anstrengungen nie auf Dauer wirken. Es gibt eine Zeit, da hilft das, und dann muss man halt wieder weitermachen. Deutschland lebt gerade von den Reformen von vor zehn Jahren. Österreich war da eine ganze Zeit früher dran und ist deshalb in der Vergangenheit gut dagestanden. Aber vielleicht läuft Österreich jetzt nur wieder voraus, weil im Augenblick in Deutschland auch nicht so viel passiert.

Österreich hat ja jetzt eine Steuerreform.

Ja, die Entlastung der Arbeitseinkommen ist sicher groß. Es scheint mir da nur wie immer zu sein, dass man die kurzfristigen Selbstfinanzierungseffekte überschätzt. Die kommen mit einer großen Verzögerung.

In Deutschland macht die Gläubigerbeteiligung bei der Hypo Schlagzeilen. Halten Sie die für richtig?

In Österreich und Deutschland ist man in der Abwicklung von Banken nicht so geübt wie etwa in den USA. Das müssen wir jetzt lernen. Solche Marktbereinigungen sind unvermeidbar und schärfen die Sicht jener, die in Banken tätig sind.

Deutschland hingegen macht auf EU-Ebene mit seiner Leistungsbilanz Schlagzeilen. Vergangenes Jahr stand unter dem Strich ein Rekordüberschuss. Sind sieben Prozent nicht zu viel?

Wir exportieren damit Kapital, das im Ausland angelegt und verzinst wird. Die Frage ist aber schon, wieso Unternehmen bei Investitionen sehr zurückhaltend sind. Der Unternehmenssektor baut netto seit 2009 durchwegs Kredite ab, das ist neu. Das gab es früher immer nur kurzfristig. Sie sind wegen der Krise noch immer verunsichert.

Deutschland kritisiert Frankreich gerne für sein Defizit, verstößt mit der Leistungsbilanz aber selbst gegen EU-Regeln.

Es ist ein Unterschied, ob ich als Finanzminister ein Defizit zu verantworten habe, oder ob, wie bei der Leistungsbilanz, Millionen von Einzelentscheidungen aufeinandertreffen. Exporte zu verbieten macht keinen Sinn. Insofern ist das Thema irreführend.

Eine EU-Regel ist das Ganze aber trotzdem.

Das ist richtig. Aber die Regeln müssen schon auch Sinn machen.

Die Konjunktur in der Eurozone hellt sich auf. Mario Draghi sagt, daran hat auch die EZB ihren Anteil. Stimmt das?

Draghi ist vielleicht etwas vollmundig. Die lockere Geldpolitik federt aber ab. Aber es enthebt die Länder nicht von ihrer Aufgabe, Strukturreformen vorzunehmen. Am Ende entsteht Wettbewerbsfähigkeit nicht durch Geldpolitik oder einen geringeren Ölpreis, sondern dadurch, dass man gute Produkte und Dienstleistungen anbietet. Das bleibt in den Südländern weiter die zentrale Aufgabe.

Viele deutsche Ökonomen sehen die EZB sehr kritisch, Sie also nicht?

Die Geldpolitik bewegt sich auf einem sehr schmalen Pfad. Die Zentralbank kann es aber nicht akzeptieren, dass sie ihr Inflationsziel dauernd verpasst. Ihre Politik verursacht aber Nebenwirkungen, und die muss man ernst nehmen. Die Alternative, jetzt nichts zu tun, führt aber auch nicht zu höheren Zinsen.

Zuletzt ist ein griechischer Austritt aus der Eurozone diskutiert worden. Wie sehen Sie den?

Die Währungsunion ist sicher robuster als vor drei Jahren. Ein Austritt wäre für die Eurozone verkraftbar, für Griechenland aber dramatisch. Es muss aber ganz klar sein, dass sich Europa mit einem möglichen Austritt nicht mehr erpressen lassen darf. Die neue griechische Regierung hat all ihre Glaubwürdigkeit erst einmal vernichtet, an den Kapitalmärkten genauso. Sie haben auch keine Freunde in Europa. Keiner steht ihnen bei. Das Irritierende ist ja, dass manches, was die sagen, gar nicht verkehrt ist. Beim Troika-Programm sind Fehler passiert.

Welche denn?

Für griechische Unternehmen sind die Energiekosten viel wichtiger als die Arbeitskosten. Energiesteuern wurden stark erhöht, das war ein massiver Fehler. Außerdem wurde zwar der Arbeitsmarkt dereguliert, nicht aber der Gütermarkt. Da haben dann nur die Unternehmen etwas davon in Form von mehr Profit, ein besserer Wettbewerb entsteht dadurch aber nicht. Es hat auch keine wirkliche Reform des öffentlichen Sektors gegeben. Vermögende wurden nicht besteuert, auch die Steuerhinterziehung wurde nicht bekämpft. Das eigentlich Dramatische ist ja: Syriza ist nicht in den korrupten Strukturen der alten Regierung verwoben und könnte viel massiver agieren, als sie das tut. Griechenland ist ja nicht arm, sie müssen halt umverteilen. Das schaffen sie offensichtlich nicht.

Zum Interview auf derstandard.at

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