Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, erklärt im Interview mit der Schwäbischen Zeitung, was die gesenkten Wachstumsprognosen des IWF für Deutschland bedeuten.

„Der sehr stabilen wirtschaftlichen Entwicklung geht die Luft aus“
Die Weltwirtschaft verliert an Fahrt. Wie verwundbar ist Deutschland?
Als exportorientierte Nation ist die Bundesrepublik davon betroffen. Wir laufen deswegen nicht gleich in eine Rezession hinein. Aber der kräftigen, sehr stabilen wirtschaftlichen Entwicklung geht die Luft aus.
Deutschland profitiert ja seit vielen Jahren von einem ungewöhnlich langen Aufschwung. Ist der Punkt erreicht, an dem wir uns wieder auf härtere Zeiten einzustellen müssen?
Härtere Zeiten - das klingt mir zu scharf. Seit 2011 erleben wir einen angebotsseitigen Aufschwung. Die deutsche Wirtschaft mit ihrer starken Industrie, mit der Ausrichtung auf die Weltmärkte, mit der dualen Ausbildung und der Sozialpartnerschaft, konnte in dieser Zeit diese Standortvorteile gut ausspielen. In dieser Phase konnten wir relativ unberührt von weltwirtschaftlichen Schwankungen Produktion und Beschäftigung aufbauen. Da sehen wir jetzt beim Blick nach vorn erste Schleifspuren. Die genannten Stärken sind auch morgen noch wichtig. Die enorme Stabilität aber geht ein Stück weit verloren. Das zeigt sich bereits an einer schwächeren Entwicklung in 2019.
Kommen wir zu den Ursachen. Wie stark schadet Donald Trump der deutschen Konjunktur?
Der nachlassende Schwung in der Weltwirtschaft hat natürlich viel mit der Handelspolitik der USA zu tun. Man sah das früh am zurückgehenden Wachstum unserer Exporte in die USA. Man könnte denken, Zölle auf Stahl und Aluminium seien nicht so relevant wie beispielsweise der Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China. Da ist auch etwas dran. Aber die deutsche Wirtschaft ist darauf angewiesen, dass die globalisierten Wertschöpfungsketten funktionieren. Insofern schadet Trump nicht nur sich selbst und seinen Leuten, sondern allen, die an der Arbeitsteilung in der Weltwirtschaft teilhaben. Das trifft die deutsche Wirtschaft.
Die Politik hat sich an die gute ökonomische Lage gewöhnt und erhöht die Ausgaben kräftig. Kann sich das der Staat noch leisten oder gerät die Schwarze Null in Gefahr?
Mit Blick auf den demographischen Wandel kann sich der Staat schon heute diese Ausgabenpolitik nicht leisten. Das wird aber offenbar ignoriert, als gebe es rettende Töpfe an anderer Stelle. Ganz unabhängig von einer konjunkturellen Schwäche geht die Politik nicht angemessen um mit dem Thema.
Der Bund sagt den Ländern nun mehr Unterstützung bei den Flüchtlingskosten zu und bietet einen zusätzlichen pauschalen Anteil bei der Umsatzsteuer an. Lässt sich der Bund von den Ländern über den Tisch ziehen?
So weit würde ich nicht gehen. Aber das Gesamtbild in unserer Republik geht verloren. Der Bund hat die Reform des Finanzausgleichs ermöglicht durch einen Verzicht auf Umsatzsteueranteile zu Gunsten der Länder. Seit einigen Jahren machen sich die Länder einen schlanken Fuß bei gesamtstaatlichen Aufgaben und rufen immer sofort nach zusätzlichen Bundesmitteln. Warum der Bund jetzt auch noch pauschal mehr Geld für Flüchtlinge bereitstellt, leuchtet mir nicht ein.
Zum Interview auf schwaebische.de

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