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Michael Hüther im Deutschlandfunk Interview 24. Januar 2018

Trump verhängt Schutzzölle: „Der Handelskrieg kommt nicht direkt”

Vor seinem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos hat Donald Trump Schutzzölle verhängt, die vor allem China treffen sollen - und damit den Konflikt mit Asien nochmal verschärft. „Das wird in den USA nicht helfen”, sagte IW-Direktor Michael Hüther im Deutschlandfunk. Denn geringfügige Preiseffekte würden kaum Wirkung erzielen.

Herr Hüther, kommt jetzt der Handelskrieg?

Nein, der Handelskrieg kommt nicht direkt. Aber es ist insgesamt und nicht nur aus den USA kommend eine Tendenz zu beobachten, dass Freihandel, offene Märkte, globale geordnete Strukturen unter Druck geraten, dass es nicht mehr selbstverständlich ist und dass es in vielen Ländern aus ganz unterschiedlichen Gründen billige Argumente gibt, die glauben, dass wenn man sich abschottet, wenn man individuellen Vorteil sucht, dass das besser wäre für die Bevölkerung oder für die interessierten Gruppen.

Und so ist es ja auch bei Trump motiviert. Er sendet Signale an seine Wählerschaft, die ja im Kern unverändert treu zu ihm steht, und glaubt, damit irgendetwas bewegen zu können. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt das Gegenteil und widerlegt diese These. Es ist ja öfters in den USA versucht worden.

„China sucht auch sehr, sehr spezifisch seinen Vorteil”

Aber nichts desto trotz könnte das jetzt eine Spirale in Gang setzen. Die Chinesen werden das wahrscheinlich nicht auf sich sitzen lassen.

Na gut. Die Chinesen sind ja auch jetzt nicht gerade die ersten Verfechter des Freihandels, auch wenn sie es in der Vermarktung relativ klug machen. Es ist eben erinnert worden an die Reden von Xi Jinping, des chinesischen Staatspräsidenten vor einem Jahr, der quasi in diese Lücke, die Trump gelassen hat, hineingegangen ist. Aber wir wissen auch, dass gerade China natürlich großen Nachholbedarf hat, dass immer noch nicht Reziprozität gilt, also Gegenseitigkeit der gleichen Bedingungen und der Öffnungen, und China auch sehr, sehr spezifisch seinen Vorteil sucht. Sie verbrämen es kommunikativ anders.

Insofern gibt es da schon Gefahren; das ist aber für sich genommen jetzt nicht von heute an neu, sondern das ist ein Umfeld, in dem wirklich Politik glaubt, sie könnte mit solchen Aktionen dauerhaft Vorteile erringen. Dauerhaft wird das nicht gelingen. Es sind immer nur kurzfristige vielleicht Abfederungen, vielleicht noch nicht einmal das.

Subventionierung der Solarpaneele-Industrie in China

Aber wo Sie es gerade ansprechen. Hat Trump dann nicht recht, wenn er Chinas einseitige Art der Marktwirtschaft was entgegensetzt, Feuer mit Feuer bekämpft?

Die Frage ist nur, ob das in der Tat die richtige Antwort ist. Denn das, was er jetzt aufruft, Zölle für Solarpaneele und Waschmaschinen, das wird in den USA nicht helfen. Das ist wie bei uns auch. Solarpaneele ist etwas, was mittlerweile in massenindustrieller Weise hergestellt wird, wo Sie auch keinen Spezialisierungsvorteil mehr haben. Deswegen gibt es auch bei uns keine Solarpaneele mehr. Wir subventionieren das noch. Wir subventionieren quasi mit unserer Energiewende den Aufbau der Solarpaneele-Industrie in China. Aber es ist nun einmal so. Von den Kostenstrukturen ist das nicht, was für uns interessant ist.

Bei den Waschmaschinen? Wer einmal in den USA länger gelebt hat weiß, dass diese Geräte nicht wettbewerbsfähig sind, die die Amerikaner selbst herstellen. Das sind große Rührmaschinen, aber weder effizient, noch effektiv.

Gefahren des Binnenmarktes

Die haben immer noch nicht diese Trommeln. Haben die immer noch dieses komische Ding in der Mitte?

Ja, ja. Man hat mir, während ich da war, lange Zeit erzählt, die amerikanische Hausfrau mag keinen Frontlader, den wir gewöhnt sind, sondern muss von oben reinrühren. Darum sind die Geräte auch riesengroß, riesenschwer, hoch ineffizient, und das ist immer das gleiche Problem in den USA. Der Binnenmarkt ist so groß, dass man immer Gefahr läuft, sich von den Standards der Welt, vom Wettbewerb abzukoppeln.

Und wenn man das tut, verliert man auch die Möglichkeit, dann wieder reinzukommen. Er kann doch nicht glauben, dass er mit ein bisschen Preiseffekten irgendwas erzielt. Die guten deutschen Waschmaschinen beispielsweise, die jetzt nicht betroffen sind, aber selbst wenn Zoll darauf käme, die Premium-Produkte aus dem hinteren Westfalen, die werden unverändert gekauft, weil es dazu nicht wirklich Alternativen aus den USA gibt.

Wettbewerbsfaktoren der deutschen Industrie

Heißt aber im Umkehrschluss auch: Egal was man macht, das was Trump macht, das hilft auch nichts. Man kann den Chinesen eh keinen Einhalt gebieten.

Man kann den Chinesen Einhalt gebieten, oder zumindest den Effekten Einhalt gebieten, wenn man eine kluge Wirtschaftsstrukturpolitik betreibt. Das hat Deutschland über Jahrzehnte anders gemacht. Wir haben die Industrie nicht vernachlässigt. Es gibt viele Studien, die das belegen, dass die Importkonkurrenz, die Konkurrenz durch Importprodukte aus China natürlich auch bei uns in einzelnen Segmenten Arbeitsplätze bedroht hat und zu deren Verlust geführt hat. Aber gleichzeitig ist die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie insgesamt groß durch ihre Regionalstruktur, durch ihre Verbindung mit Dienstleistern, sodass wir viel besser in der Lage waren, auf andere neue Märkte zu reagieren, sodass wir in der Summe viel mehr Jobs heute durch Export haben als vorher.

Das ist in den USA anders. Insofern hat er einen richtigen Befund, nur nicht die richtige Antwort dazu.

Arbeitsebene der US-Administration „bemüht”

Schauen wir noch mal auf Trumps Methode oder auf die Methode Trump. Er hat ja auch immer Deutschland angeprangert für seinen Haushaltsüberschuss beziehungsweise für seinen Exportüberschuss, gerade im Vergleich mit den USA. Sind wir die Nächsten?

Die Lage ist natürlich eine andere. Wir sind Verbündeter und ich glaube, das ist auch in den USA angekommen. Wenn man dort unterwegs ist – ich war im Oktober in Washington -, wenn man mit all den Personen in der Administration spricht, an den unterschiedlichsten Ecken, dann hat man immer den Eindruck, die sind sehr darum bemüht, auf der Arbeitsebene das so intensiv wie möglich zu halten, auch bei den Irritationen, die es an der Spitze gibt, auch die Irritationen, die dadurch entstehen, dass ein Drittel der Diplomatenposten nicht besetzt sind, wir immer noch keinen Botschafter der USA in Berlin haben und so weiter und so fort. Man hat den Eindruck, man sammelt sich auf der Arbeitsebene mehr zusammen, um das zu stabilisieren. Deswegen glaube ich das nicht. Es ist eher mal eine Verbalattacke.

BMW größter Autoexporteur aus den USA heraus

Das heißt, wir müssen uns da keine Sorgen machen. Das wird jetzt ein Kampf, der zwischen China und Trump ausgefochten wird, und am Ende wird schon klein beigegeben.

Das ist das Symbolträchtigere und das zielt auch im Lande. Und man muss ja überlegen, wie viele deutsche beispielsweise PKW in den USA herumfahren und die zum allergrößten Teil ja auch dort produziert werden. Beispielsweise ist BMW der größte Automobilexporteur aus den USA heraus. Keine amerikanische Firma, sondern BMW. Insofern sind das ja auch Dinge, die sich dort völlig anders zeigen.

Umgang mit Globalisierungsverlierern

Herr Hüther, Sie haben ganz am Anfang unseres Gesprächs die große Unterstützerbasis, die Trump immer noch hat, angesprochen. Denn er trifft ja ohne Zweifel durchaus auch hier ein Gefühl, das immer stärker entsteht, dass der Freihandel auf der einen Seite zwar Wachstum schafft, aber unterm Strich mehr Verlierer als Gewinner produziert. Da ist doch was dran!

Nicht mehr Verlierer als Gewinner, aber auch Verlierer, und die Frage ist, wie gehen Gesellschaften mit diesen Verliererpositionen um. Da ist natürlich die richtige Antwort, wie kann man Bildungsmobilität ermöglichen, indem man entsprechende Weiterbildungssysteme anbietet. Deutschland ist nun gerade ein Beispiel dafür, dass mit den potenziellen Globalisierungsverlierern wir gut umgehen, weil wir A diese Industriestruktur in Deutschland haben, die eine Ausfächerung auch über die duale Berufsausbildung als zweiter Aspekt anbietet, Möglichkeiten, unterschiedliche Kompetenzen immer wieder neu sich zu erarbeiten.

Deswegen haben wir ja auch diesen hohen Stand der Beschäftigung. Wenn Sie mal USA und Deutschland vergleichen: Wir hatten im Jahr 2000 66 Prozent unserer prinzipiell erwerbsfähigen Personen in Arbeit. Heute sind es 78 Prozent. In den USA genau umgekehrt. Im Jahr 2000 waren es 78 Prozent, heute sind es 66. Das heißt, Gesellschaften gehen durchaus sehr unterschiedliche Wege.

Stabilität der Verteilungsindikatoren beim Einkommen

Das klingt jetzt alles so rosarot, was sie erzählen. Aber es sind ja gerade in dieser Woche erst anlässlich des Weltwirtschaftsforums zwei Studien veröffentlicht worden, unter anderem von Ihrem Konkurrenzinstitut, wenn ich das so sagen darf, dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Demnach besitzen die 45 reichsten Haushalte allein so viel wie die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung und die reichsten fünf Prozent, um das auch noch mal weiter auszuführen, so viel wie die restlichen 95 Prozent. Das bestätigt doch, dass die soziale Schere absurd weit geöffnet ist, auch gerade hier in Deutschland.

Wir haben ohne Zweifel bei der Vermögensverteilung eine größere Schieflage oder Ungleichverteilung als bei der Einkommensverteilung. Aber die Kollegen rechnen immer nur einen Teil. Sie vergessen, dass Gesellschaften, die ein hohes etabliertes, qualitativ hochwertiges soziales Sicherungssystem haben, wie die Bundesrepublik Deutschland, wie die skandinavischen Länder, viel weniger private Vermögensbildung haben, weil sie durch eine Alterssicherung, die weit über den Mindesteinkommensstandards liegt, einfach Anreize setzen, die weniger auf eigene Vermögensbildung gehen.

Wenn sie das tun – das haben die Berliner übrigens auch mal ausgerechnet -, kommen Sie auf eine deutliche Entspannung dieser Vermögensungleichheitsverteilung. Insgesamt ist die viel spannendere Frage, was passiert eigentlich mit den Möglichkeiten im täglichen Leben, mit der Kaufkraft, mit der Einkommensentwicklung. Da haben wir, seit der Beschäftigungsaufbau angesetzt hat 2005, eine hohe Stabilität dieser Verteilungsindikatoren aufs Einkommen bezogen.

„Zwei Drittel haben die Aufstiegsperspektive”

Glauben Sie noch an das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft des Nachkriegsdeutschlands, an das, habe ich zumindest das Gefühl, nicht mehr alle glauben? Jeder kann es schaffen, wenn er sich nur anstrengt.

Wir haben so eine gewisse Verzagtheit in der öffentlichen Wahrnehmung. Wenn man sich die Zahlen anschaut - und wir haben jüngst dazu eine Studie vorgelegt, die sehr mühsam in die Daten hineingehen muss, wie die Väter gegenüber den Söhnen stehen -, dann stellt man fest, dass wir sowohl absolut gesehen, vor allen Dingen aber auch relativ in der Positionierung entlang der Einkommenshierarchie sehr, sehr viele Aufsteiger haben.

Dann sind es nämlich zwei Drittel, die diese Aufstiegsperspektive haben, vor allen Dingen, wenn die Väter in den unteren Einkommenssegmenten waren. Man kann jetzt fragen, soll das mehr oder weniger sein, aber dass dieses Versprechen nicht mehr so erfüllt würde wie früher, kann man so einfach nicht behaupten. Natürlich müssen wir heute alle - und das erleben wir jeden Tag - bei der Arbeitsverdichtung, bei der Wettbewerbsintensität ein Stück mehr noch leisten, als es früher unter anderen Bedingungen immer auch schwierig war, aber auch anders beantwortet wurde. Aber das Aufstiegsversprechen, das zeigen die Daten, ist unverändert da.

Zum Interview auf deutschlandfunk.de

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