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Michael Hüther in der Passauer Neue Presse Interview 26. September 2024

„Der Druck auf den Arbeitsmarkt wird zunehmen”

Das Wachstum stagniert und Unternehmen kündigen Stellenstreichungen an. Zuletzt gab es viele düstere Meldungen aus der deutschen Wirtschaft. IW-Direktor Michael Hüther hat im Interview mit der Mediengruppe Bayern darüber gesprochen, was das für den Arbeitsmarkt bedeutet.

Ist der deutsche Arbeitsmarkt stabil genug, um den anstehenden Personalabbau bei vielen Unternehmen ohne starke Zunahme der Arbeitslosenquote zu verkraften?

Bisher ist die Arbeitslosigkeit vor allem durch die Fluchtmigration angestiegen. Das, was wir allerdings jetzt von diversen Unternehmen an Stellenabbau- Ankündigungen vernehmen, hört sich dramatisch an. Viel wird davon abhängen, wann es dazu kommt, wie es im Detail gemacht wird und ob es im Rahmen des betrieblichen Geschehens vollzogen wird. Von gleichzeitig großen Schnitten gehe ich zunächst nicht aus. Dennoch wird der Druck auf den Arbeitsmarkt zunehmen, ebenso, wie die Verknappung des Arbeitsangebots alterungsbedingt weiter zunimmt. Der Arbeitsmarkt ist nicht mehr so robust und daher könnten wir jenseits der Fluchtmigration einen zusätzlichen Anstieg bei den Arbeitslosenzahlen bekommen.

Der anhaltende Arbeitskräftemangel ist eine deutliche Wachstumsbremse. Passt eine Vier-Tage-Woche da in die Zeit?

Die Frage, ob man beispielsweise bei den Autoherstellern wie VW mit einer Vier-Tage-Woche hantiert, kann durchaus sinnvoll sein. Damit können schärfere Einschnitte beim Personal vermieden werden. Jedenfalls wäre das eine bessere Option als Vorruhestands- und andere altersbezogene Lösungen. Das nämlich wäre ein fatales Signal, denn wir brauchen ja die Menschen generell länger im Arbeitsmarkt. Was wir feststellen, ist, dass die Erwerbstätigkeit zuletzt zugenommen hat, weil die Leute immer länger im Erwerbsleben bleiben. Insofern könnte das Modell der Vier-Tage-Woche im Rahmen von Restrukturierungsprogrammen durchaus eine sinnvolle Antwort sein. Den Fachkräftemangel allerdings kann man damit nicht beheben, denn die Vier-Tage-Woche führt schließlich nicht zu einem Mehr an Arbeit.

Aber ich vermute, das gilt nicht für die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich?

Nein, das wird so nicht gelingen. Das würde ja bedeuten, dass man die Produktivität bei vier Tagen Arbeit entsprechend steigern könnte, aber die springt sicher nicht um 25 Prozent. Bei Anpassungsprogrammen geht es darum, die Beschäftigung an eine nachhaltig geringere Nachfrage anzupassen, und da sind die Alternativen gezielte Freisetzungen, Standortschließungen und Arbeitszeitmodelle, die aber nicht mit vollem Lohnausgleich.

Derzeit läuft wieder eine Debatte über eine außerplanmäßige Erhöhung des Mindestlohnes. Wie bewerten sie die?

Das ist mit Sicherheit nicht das Signal, das wir jetzt brauchen. Wir haben eine gesetzliche Regelung für dessen Festsetzung mit einer Mindestlohnkommission. Da orientiert man sich an einem nachlaufenden Tarif-Index, denn der Mindestlohn soll schließlich nicht die Tarifverhandlungen beeinflussen: Das wäre eine Beeinträchtigung der Tarifautonomie. Da hat die Politik schon einmal eingegriffen nach der Bundestagswahl 2021, versehen mit heiligen Schwüren, dass es bei diesem einen Mal bleiben soll. Und nun passt das Ergebnis der nächsten autonomen Entscheidung der Mindestlohnkommission der Politik und den Gewerkschaften auch wieder nicht, und so wird nun erneut versucht, an der Höhe zu drehen. Das wäre am Ende eine politische Lohnsetzung. Daher gehen die entsprechenden Vorschläge von Arbeitsminister Heil völlig an der Sache vorbei. Es gibt auch keine europäischen Kompetenzen, die das irgendwie einfordern. Europa hat hier keine Zuständigkeiten. Es kann nur allgemeine Orientierungen liefern, die missbraucht werden sollen, um Druck auf die unabhängige Mindestlohnkommission auszuüben.

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