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Matthias Diermeier auf deutsche-wirtschafts-nachrichten.de Interview 21. Juni 2015

Technologie: Exporte aus Deutschland nach Russland brechen ein

Es fällt Deutschland schwer, die Energiewende zum Exportschlager zu machen, wie das Angela Merkel eigentlich vorhatte. Doch tatsächlich brauchen die Russen die deutschen Technologien nicht, erklärt Matthias Diermeier vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Interview mit dem Online-Portal deutsche-wirtschafts-nachrichten.de.

Welche Folgen haben die EU-Sanktionen für die russische Wirtschaft?

Die Folgen von gleichzeitigem Ölpreisverfall, Sanktionen und Ukraine Krise – einhergehend mit einer generellen Unsicherheit und Kapitalflucht – sind schwierig zu trennen.

Realwirtschaftlich ist beispielsweise ein Absinken der deutschen Exporte im Maschinenbau um 16 Prozent zu beobachten. Sinkt der Ankauf hochspezialisierter europäischer Maschinen hat dies zwangsläufig negative Auswirkungen auf die russische Industrie- und Energieproduktion. Ob dies jedoch ein direkter Effekt der EU-Sanktionierung ist, bleibt offen.

Neben den realwirtschaftlichen Implikationen, umfassen die EU-Sanktionen auch einen restringierten Zugang gewisser russischen Staatsbanken zum Kapitalmarkt. Dies führt zu einer starken Belastung des Finanzsektors, der sowieso schon unter einer zunehmenden Kapitalflucht leidet. Die Zentralbank hat den Leitzins kürzlich wieder erhöht; Im Finanzsektor ist vorerst keine Entspannung zu beobachten.

In welchen Bereichen kann Russland Importe durch eigene Produktion ersetzen?

Die Schwierigkeit Russlands Importe durch eigene Produktion zu ersetzen, zeigt sich am deutlichsten bei einer kurzen Analyse seiner Gegenmaßnahmen. So hat der Einfuhrstopp für gewisse EU- Lebensmittel zu Nahrungsmittelinflation von über 25 Prozent geführt. Schafft es Russland nicht gesunkene Konsumgüterimporte wie Nahrungsmittel zu substituieren, erscheint es fragwürdig, dass sich kurzfristig Alternativen auch für den Bereich der hochkomplexen Dual-Use Güter oder im Maschinenbau finden lassen.

In welchen Bereichen ist Russland auf Importe angewiesen?

Russland ist auf den Zukauf von grundlegenden Technologien im Mineralölgeschäft angewiesen. Teile dieser Güter unterliegen den Sanktionen.

Ursprünglich hat man gedacht, dass der niedrige Ölpreis Russland schadet. Dem scheint jedoch nicht so zu sein?

Bei einem langfristig niedrigen Ölpreis ist zu erwarten, dass internationale Investoren ihre Investitionen in Russland zurückfahren. Obwohl die Rubel-Einnahmen für ein Barrel Rohöl aufgrund des Wechselkurseffektes relativ konstant geblieben sind, verlieren diejenigen Financiers, die Gewinne später in andere Währungen tauschen müssen.

Dasselbe gilt für den Staatshaushalt: Über die Hälfte der Einnahmen des russischen Staates stammen aus dem Energiesektor. Das staatliche Budgetdefizit ohne die wichtigen Ölpreiseinnahmen liegt sogar mit über zehn Prozent im Minus. Konsumiert der Staat jedoch hauptsächlich inländische Güter oder substituiert ausländische Güter im Inland, ist der Ölpreisverfall kein größeres Problem.

Es gibt aber auch negative Spill-Over Effekte auf die europäischen Volkswirtschaften. Denn grundsätzlich profitieren die entwickelten Volkswirtschaften von den hohen Erträgen aus den investitionsintensiven Rohstoffbranchen im Ausland. Der als Petrodollar-Recycling beschriebene Effekt funktioniert dabei wie folgt: Hohe Ölpreise machen Investitionen in Rohölabbau attraktiv und steigern die Investitionstätigkeit in Ländern wie Russland. Die Technologien stammen dabei jedoch heute aus den starken Industrienationen wie Deutschland. Damit steigern die hohen Energiepreise letztlich auch die deutschen und europäischen Exporte.

Welche konkreten Auswirkungen haben die russischen Gegen-Sanktionen auf die Volkswirtschaften in der EU?

Grundsätzlich ist Russland für viele europäische Länder kein entscheidender Importeur inländischer Güter – nur 2,6 Prozent der deutschen Exporte gehen nach Russland. Natürlich gibt es aber einzelne Unternehmen oder sogar Branchen, die überdurchschnittlich von den Sanktionen betroffen sind.

Der Importstopp von gewissen, in der EU produzierten, Lebensmitteln ist jedoch in Ländern, wie Italien und Spanien zu spüren.

Kann es sein, dass in der Zeit der Sanktionen europäische Firmen in Russland von anderen Wettbewerbern verdrängt werden, etwa aus Asien?

Tatsächlich ist eine zunehmende Außenhandelsverflechtung zwischen Russland und China zu beobachten, die insbesondere in letzter Zeit an Dynamik gewonnen hat. Inwieweit europäische Investoren jedoch nach Rücknahme der Sanktionen und Lösung der Ukraine Krise ihre alten Marktpositionen wiedergewinnen können, ist schwierig zu beurteilen.

Wo sehen Sie die größten Gefahren für die russische Wirtschaft?

Die größte Gefahr für die russische Wirtschaft stellt ein nachhaltiger Vertrauensverlust dar, der einen langfristigen Investitionsattentismus gepaart mit einer sich verstärkenden Kapitalflucht zur Folge haben könnte.

Zum Interview auf deutsche-wirtschafts-nachrichten.de

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