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Hagen Lesch in der Rhein Main Presse Interview 30. April 2014

„Verbrauchern stärker ins Gewissen reden“

Mit der Rhein Main Presse sprach IW-Gewerkschaftsexperte Hagen Lesch über gute Arbeit, billige Kleidung und die Event-Kultur. Er warb dafür, dass die Gewerkschaften den Tag der Arbeit internationaler ausrichten und Verbrauchern stärker ins Gewissen reden sollten.

Herr Dr. Lesch, was bedeutet für Sie der Tag der Arbeit?

An diesem Tag erinnere ich mich daran, wie wichtig die Gewerkschaftsbewegung ist, um wenigstens die schlimmsten Missstände in der Arbeitswelt zu beseitigen.

Wir haben den Eindruck, dass nur wenige den 1. Mai in dieser Bedeutung wahrnehmen. Für die allermeisten ist der Tag der Arbeit doch nicht mehr als ein gewohnter Feiertag, in den man mit dem Tanz in den Mai hinein feiern kann, und an dem es Krawalle und Nazi-Aufmärsche gibt... An was liegt das?

Das liegt daran, dass die Arbeitswelt in Deutschland heute eine völlig andere ist als im 19. oder frühen 20. Jahrhundert. Unsere Gewerkschaften klagen auf hohem Niveau. In anderen Teilen der Welt – etwa in Asien – gibt es aber nach wie vor gravierende Missstände bei den Arbeitsbedingungen. Wenn wir daran denken, erschließt sich uns auch die Bedeutung dieses Tages.

Welchen Sinn hat der 1. Mai als Feiertag der Arbeitnehmerbewegung überhaupt noch?

Die Gewerkschaften nutzen ihre Kundgebungen immer mehr als Events. Die Menschen kommen zusammen und haben das Gefühl, etwas zu erleben. Mit Musik und Unterhaltungsprogrammen polieren die Arbeitnehmerbünde ihr angestaubtes Image auf. Natürlich gibt es dabei auch Reden mit politischen Inhalten. Insgesamt schaffen die Kundgebungen ideale Voraussetzungen dafür, um in der „Mitmachgewerkschaft“ für gute Arbeit einzutreten. Das schafft eine Basis, um neue Mitglieder zu gewinnen.

Wenn die Menschen die erkämpften Arbeitnehmerrechte als selbstverständlich erachten, ist das in Ordnung?

Keineswegs. Der Blick in die Textilfabriken in Bangladesh oder Indien zeigt, wie miserabel Arbeitsbedingungen heute noch sein können. Die globale Sicht sollte auch im Mittelpunkt des Tags der Arbeit bei uns stehen. Die Gewerkschaften könnten sich viel internationaler präsentieren und vor allem uns Verbrauchern stärker ins Gewissen reden. Gute Arbeit und billige Klamotten – das passt kaum zusammen. Eine solche Diskussion macht aber nachdenklich. Und das passt schlecht zur Event-Kultur des 1. Mai.

Aber mit einem DGB-Slogan wie „Gute Arbeit, soziales Europa“ holt man doch nur sehr schwer jemanden hinter dem Ofen hervor...

Im letzten Jahr mobilisierte der DGB immerhin 425.000 Menschen. Damals hieß das Motto auch schon: Gute Arbeit. Sichere Rente. Soziales Europa. Angesichts des demografischen Wandels und des wachsenden Bewusstseins einer breiten Öffentlichkeit über die untragbaren Arbeitsbedingungen in anderen Regionen der Welt hätte sicher auch ein anderes Motto gefunden werden können.

Wie könnte man den Tag der Arbeit wiederbeleben?

In unserer modernen Arbeitswelt treten Probleme nicht wie im 19. und 20. Jahrhundert verbreitet, sondern vereinzelt auf. Deshalb werden Probleme in der Regel vor Ort in den Betrieben angesprochen und gelöst. Wo das nicht der Fall ist, weil gewerkschaftliche Vertrauensleute oder Betriebsräte fehlen, haben die Gewerkschaften in den letzten Jahren wiederholt medienwirksame Kampagnen organisiert, um Druck auszuüben. Das geschieht aber zeitnah und setzt weder eine allgemeine Mobilisierung noch einen allgemeinen Gedenktag voraus. Im nationalen Kontext hat sich der 1. Mai deshalb ein Stück weit überlebt. Der Tag der Arbeit ist aber ein weltweiter Gedenktag. Deshalb sollte er auch einen internationalen Focus und ein internationales Motto bekommen. Ich glaube allerdings nicht, dass die Beteiligung an den Kundgebungen hierzulande zunehmen würde. An einem Maifeiertag wollen die meisten Menschen nicht Probleme wälzen, sondern in den Frühling feiern.

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