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(© Foto: Daniel Roth)
Hagen Lesch im Handelsblatt Interview 2. Juli 2015

"Bahn hat teuer bezahlt"

Hagen Lesch, Tarifexperte im Institut der deutschen Wirtschaft Köln, bezeichnet im Interview mit dem Handelsblatt den Abschluss der Bahn mit der Lokführergewerkschaft GDL als clever – und teuer.

Herr Lesch, stimmt der Anschein, dass die GDL durchgesetzt hat, für das gesamte Zugpersonal mitverhandeln zu können?

Ja. Die Hauptforderung der GDL ist damit nun garantiert. Es gibt eine Klausel, nach der die GDL bis 2020 als Tarifpartner anerkannt ist. Dass die Gewerkschaft mitverhandeln darf, stand für die Bahn auch nie infrage, sondern nur, wie autonom sie Tarifverträge abschließen kann.

Die Abschlüsse kann man durchaus als autonom bezeichnen.

Der Tarifvertrag ist zwar autonom, aber inhaltsgleich mit dem der Konkurrenzgewerkschaft EVG. Bemerkenswert sind dabei zwei Kniffe. Zum einen hat die GDL die Entgelttabellen der EVG übernommen, zum anderen konnte die GDL ihre Eigenständigkeit aber durchsetzen. Sie handelte eine Arbeitszeitverkürzung aus, die allerdings außerhalb der Laufzeit des konkurrierenden EVG-Abschlusses liegt. Durchaus clever: Sie greift erst 2018, kann also ab 2016 auch mit der EVG verhandelt werden.

Eine intelligente Lösung, leider auf dem Rücken der Bahn.

Genau. Die EVG hatte bereits einen üppigen Abschluss hingelegt - mit einer Lohnerhöhung von 5,1 Prozent. Jetzt kommt hinzu: Die GDL hat ihre Arbeitszeitverkürzung dem Anschein nach bei vollem Lohnausgleich durchgesetzt. Die Bahn hat das Aufschaukeln der Gewerkschaftskonkurrenten teuer bezahlt.

Hätte das die Bahn nicht schon vor einem Jahr – ohne Streik – haben können?

Nein. Man hatte keinen Moderator, der dafür sorgte, dass die streitenden Parteien nicht ständig aneinander vorbeiredeten. Das haben erst die Schlichter geschafft.

Drohen nun Konflikte mit dem Gewerkschaftsrivalen EVG?

Das glaube ich nicht. Durch eine Art Revisionsklausel wurde in den Tarifverträgen vereinbart, dass die EVG ihre Verträge kündigen kann, sobald GDL-Mitglieder besser gestellt werden.

Das neue Tarifeinheitsgesetz soll einen solchen Zustand verhindern. Erstaunt es Sie, dass die Tarifeinheit durch die Hintertür gekippt werden kann?

Nein. Das Gesetz sieht eine freiwillig vereinbarte Tarifpluralität ausdrücklich vor. Es will erreichen, dass die Gewerkschaften kooperieren und sich im Vorfeld von Tarifauseinandersetzungen absprechen.

Was sind denn dann die neuen Spielregeln?

Wenn Gewerkschaften unabhängig voneinander verhandeln, und das bei überschneidenden Tarifgruppen, hat die Mehrheitsgewerkschaft jetzt im Zweifel Vorrang. Am Beispiel Bahn heißt das: Hätte die EVG für die gesamte Belegschaft abgeschlossen, hätte die GDL nur noch nachzeichnen können. Allerdings ist wohl jedem klar, dass die Bahn nicht als ein Gesamtbetrieb zu betrachten ist.

Müssen nun andere Unternehmen, etwa die Lufthansa, fürchten, dass zwei Gewerkschaften für dieselbe Berufsgruppe unterschiedliche Tarife aushandeln?

Durch Verdi könnte es künftig zu einem ähnlichen Konflikt kommen - dann nämlich, wenn die Dienstleistungsgewerkschaft ihre Tarifführerschaft beim Bodenpersonal auf das Kabinenpersonal auszuweiten gedenkt.

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