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IW-Handelsexpertin Galina Kolev
Galina Kolev auf Focus Online Interview 7. Oktober 2019

Unterstützung für US-Präsident: Trump kann Handelsbarrieren jetzt weiter ausbauen

Die Welthandelsorganisation WTO hat den USA den Weg für Strafzölle gegen Europa freigemacht. Was es mit dem Urteil auf sich hat, und wohin es führt, erklärt IW-Handelsexpertin Galina Kolev im Interview mit FOCUS Online.

Was bedeutet die Entscheidung der WTO für den Welthandel? Trump ist bestärkt – wird er mehr Zölle fordern?

Ja, genau das – die USA haben jetzt die Möglichkeit, den Handelsstreit auf einem WTO-konformen Weg zu eskalieren. Das Urteil gibt Trump die Gelegenheit, die bereits bestehenden Handelsbarrieren auszubauen. Für den Welthandel ist das keine gute Nachricht, da der Handel sowieso unter Konflikten und der bestehenden Unsicherheit leidet. Das Paradoxe dabei: Die USA kritisieren die WTO dauernd, wenn aber in ihrem Sinne entschieden wird, kommt es ihnen gerade Recht.

Was kritisieren die USA denn an der Welthandelsorganisation?

Einige Aspekte. Sie sind beispielsweise unzufrieden mit der Einordnung einiger Länder bei der WTO. China etwa darf sich als Entwicklungsland einstufen und bekommt dadurch gewisse Ausnahmeregelungen, höhere Zollsätze sind nach wie vor erlaubt. Das kritisiert übrigens auch Europa. China ist so konkurrenzfähig wie viele westliche Staaten.

Auch das Gericht der WTO gerät öfter ins Visier der USA. Da geht es beispielsweise um die Länge der Mandate der Richter sowie die Auslegung von Regelungen, die über das WTO-Mandat hinausgehen. Allerdings ist das nicht erst seit der Wahl Donald Trumps so. Auch unter Obama schon haben die USA die WTO kritisiert. Mit der Entscheidung vor zwei Tagen sind die USA zufrieden. Ansonsten kritisieren sie die WTO und fordern eine Reform.

USA blockieren Richtermandate, um Druck zu machen

Unternehmen die USA auch konkret etwas gegen die WTO, oder wird nur genörgelt?

Die USA blockieren etwa Richterposten bei der zweiten Instanz. Das Gremium könnte daher bald nicht mehr arbeitsfähig sein, da nicht mehr genügend Richter vorhanden sind. Das ist ein Druckmittel der USA für Reformen der WTO.

Womit beschäftigt sich die zweite Instanz?

Hier können Parteien in einem Streit in Berufung gehen, wenn sie mit der Entscheidung unzufrieden sind. Die zweite Instanz braucht allerdings drei Richter. Wenn die USA neue Mandate weiter blockieren, wird das Gericht Ende des Jahres unterbesetzt und nicht mehr handlungsfähig sein.

Ist die erste Instanz dann alles, was die Länder haben?

Was nach Jahresende dann durch die erste Instanz geht, ist im Grunde nicht anfechtbar. Manche Länder, etwa in der EU und auch Kanada, denken darum schon an eine Art eigene zweite Instanz mit ehemaligen Richtern aus dem WTO-Berufungsgremium, die nach den im Rahmen der WTO aufgestellten Regeln arbeitet. So eine Art Ersatzjustiz könnte aber problematisch sein, zumal die USA aller Voraussicht nach nicht mitmachen würden.

Alternativ können sich die an WTO-Disputen beteiligten Länder mit den Entscheidungen abfinden, ohne mit einer zweite Instanz zu leben. Damit wäre die WTO aber in ihrer Funktionsweise stark beeinträchtigt. Eine von allen Mitgliedstaaten akzeptierte Reform der WTO-Gerichtsbarkeit wäre der Königsweg.

Auch Europa klagt bei der WTO

Zurück zum jüngsten Urteil, bei dem es ja um Airbus-Subventionen ging. Die ersten Konsultationen dazu kamen schon 2004 – vor 15 Jahren, kurz danach auch die erste Klage. Warum hat die WTO nicht eher gehandelt? Und warum gelten die Subventionen als illegal?

In der Regel dauern die Verfahren sehr lange. Industriesubventionen sind grundsätzlich nicht WTO-konform, wenn sie darauf abzielen, die Exporte eines Landes zu fördern oder heimische Produkte gegenüber importierten Produkten wettbewerbsfähiger zu machen. Wenn Unternehmen sich auf diese Art und Weise benachteiligt fühlen, können sie sich an ihre Regierung wenden. Bei einem solchen Maßstab wie der Luftfahrtindustrie kann so ein Streit dann bei der WTO landen.

Wenn die WTO dann feststellt, dass die Subventionen in der Tat die ausländischen Unternehmen benachteiligen, etwa durch verzerrte Preise oder durch die Bevorzugung heimischer Produkte, muss das angeklagte Land dafür sorgen, die Subventionen zu beseitigen.

Und wenn das nicht geschieht?

Sollte das nicht passieren, so kann die WTO dem betroffenen Land einräumen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Im Umfang dessen, was die WTO entscheidet, dürften dann zum Beispiel Zölle verhängt werden, um einen Ausgleich zu schaffen. Hier muss man sich aber fragen, ob die Zölle überhaupt helfen, oder die Luftfahrtindustrie sogar noch stärker leiden lässt, wenn es zum Beispiel Zölle auf Maschinerie aus Europa gibt.

Laufen derzeit noch vergleichbare Fälle? Wie wird sich die EU gegen das Urteil wehren?

Europa hat ein ähnliches Verfahren gegen die USA in Sachen Subventionen des US-Flugzeugherstellers und Airbus-Konkurrenten Boeing laufen, welches Anfang 2020 entschieden sein dürfte. Auch hier ist davon auszugehen, dass die WTO im Sinne der Kläger, der EU, entscheiden wird. Dann kann die EU ebenfalls entsprechende Sanktionen verhängen. Fraglich ist, wer bei solchen Gegenmaßnahmen, die sich hochschaukeln, gewinnen würde. Indirekte Subventionen gibt es auf beiden Seiten. Auch Boeing wird vom Staat finanziell unterstützt.

Neue Gesprächseinladungen wahrscheinlich

Gibt es denn dann nicht einfach die Möglichkeit, sich auf Regeln in dieser Branche zu einigen, wenn ohnehin beide Parteien die Geschäftspraktiken der jeweils anderen kritisieren?

Ich denke, es wird auf Seiten der EU nochmals politische Impulse geben, neue Regelungen aufzustellen und den Streit im Bereich der Luftfahrt auf einem anderen Weg als über die WTO zu beenden. Die EU ist nach wie vor bereit, Gespräche zu führen, nicht nur für die Luftfahrtindustrie, sondern auch in allen anderen Bereichen.

Und wie geht es jetzt weiter?

Es wird definitiv neue Einladungen zu Gesprächen geben. Ansonsten wird die EU erstmal abwarten, wie das Urteil gegen Boeing ausfällt. Bis jetzt handelt die EU sehr WTO-konform, will aber auch eine Reform der Organisation, damit es nicht mehr zu solchen Konflikten kommt. Bis dahin muss die EU erstmal abwarten, auch bei den von den USA angedrohten Strafzöllen auf Autos ist ja noch kein letztes Wort gesprochen.

Zum Interview auf focus.de

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