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Michael Hüther in der Welt Interview 1. Februar 2010

"Eine Wiederholung der Krise muss unmöglich werden"

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, sieht die Krise der Staatsfinanzen als Test für die Eurozone. Wenn der Währungsraum die Probleme meistert, könne dies den Euro dauerhaft stärken. Dafür brauche die Eurozone aber grundlegende Reformen in der Finanzpolitik.

Herr Hüther, Geschäftsgrundlage des Euroraums ist eine Wirtschaft, die sich im Gleichklang entwickelt. Erleben wir aber nicht gerade, dass die Staaten im Euroraum auseinanderdriften?

Tatsächlich führt eine so scharfe Krise wie die jetzige dazu, dass die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Eurostaaten wieder zunehmen. Umso wichtiger ist es, dass die Verpflichtung zu den Grundlagen der europäischen Integration unzweifelhaft ist. Die Krise ist auch ein Test auf Robustheit für den Willen zur politischen Gemeinsamkeit sowie die Standfestigkeit der europäischen Regeln und Institutionen. Damit bietet sie im Erfolgsfall die Chance, dass die EU spürbar gestärkt wird.

Sie fordern einen European Stability Commitment. Wie soll dieser konkret aussehen?

Alle Hilfsmaßnahmen der EU für die Problemfälle müssen mit strengen Auflagen verbunden sein. Dazu gehört die Selbstbindung der Hilfeempfänger durch ein solches Commitment, indem beispielsweise analog der deutschen Schuldenbremse Verfassungsregeln definiert werden. Es muss klar werden, dass eine Wiederholung dieser Krise der Staatsfinanzen unmöglich ist.

Besitzt die EU die nötige Härte, so ein Commitment durchzusetzen?

Die Verpflichtung zur finanzpolitischen Solidität ist kein Selbstläufer, weil sie der Politik Handlungsspielräume nimmt. Die Anfälligkeit der Regierungen, sich zu hoch zu verschulden, war immer wieder zu erkennen. Zugleich sehen wir aber Reformen wie die Schuldenbremse in Deutschland, die Anreize für andere Länder setzen. So erleben wir eine Diskussion über die Einführung einer Schuldenbremse in Österreich und sogar in Frankreich. Das macht Mut.

Experten fordern, dass die angeschlagenen Eurostaaten Lohnzurückhaltung üben müssen. Besteht die Gefahr, dass sie sich gegenseitig dabei behindern?

Der Bedarf zur Lohnzurückhaltung ist ja kein flächendeckender und wird sich an den Unterschieden in den Arbeitskosten und des jeweiligen Arbeitsmarktes orientieren. Deutschland leidet an der hohen Arbeitslosigkeit gering qualifizierter Menschen, in Frankreich ist es die hohe Jugendarbeitslosigkeit. In den Südländern fordert die expansive, Lohnpolitik früherer Jahre nun ihren Tribut.

Was können Krisenländer neben Konsolidierung noch tun?

Es sind vor allem Reformen notwendig, die die Handlungsfähigkeit der politischen Instanzen stärkt und die so helfen, die europäischen Verpflichtungen zu erfüllen. Die notwendigen Beschränkungen bei den Staatsausgaben und in den Lohnverhandlungen erfordern eine politisch angeleitete Diskussion über die Handlungsmöglichkeiten des Staates und die Ansprüche, die an ihn gestellt werden können. Politik muss die europäische Idee glaubwürdig vermitteln, denn letztlich besteht kein Zweifel, dass die Staaten von der europäischen Integration profitieren.

Droht überhaupt auf absehbare Zeit eine Inflation, wenn die Löhne in etlichen Ländern sinken müssen?

Vor diesem Hintergrund und angesichts des effektiven Wettbewerbs stehen uns große Inflationsgefahren, anders als derzeit diskutiert, nicht bevor. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Europäische Zentralbank ihrer Verpflichtung zur Preisstabilität nachkommen wird. Die weltwirtschaftliche Erholung wird uns zusammen mit den noch laufenden massiven Impulsen der Wirtschaftspolitik vor einer Deflation bewahren.

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