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IW-Ökonom Tobias Hentze
Tobias Hentze im Kölner Stadt-Anzeiger Interview 14. Januar 2021

Staatsverschuldung: „Steuererhöhung wäre der falsche Weg”

Über die über langfristigen Folgen der Corona-Krise für die Staatsfinanzen spricht IW-Ökonom Tobias Hentze im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Der Lockdown wurde verlängert, ein Hilfspaket für die Unternehmen folgt auf das nächste. Wie lange können wir uns das noch leisten?

Die Summen sind in der Tat auf den ersten Blick schwindelerregend. Aber das relativiert sich, wenn man betrachtet, dass die deutsche Volkswirtschaft sehr viel mehr ist als nur die betroffenen Branchen. Die bereits gewährten Hilfen und auch künftige führen also noch nicht zu einer übermäßig hohen Staatsverschuldung im internationalen Vergleich.

Also kein Grund zur Sorge?

Der Staat und damit wir können uns das leisten und müssen es uns auch leisten. Der ökonomische Schaden durch eine Insolvenzwelle und Massenarbeitslosigkeit wäre um ein Vielfaches höher als die Hilfen, die gewährt werden. Die Staatsfinanzen wären nicht nur deutlich stärker belastet, auch die Perspektiven für den Haushalt wären sehr viel schlechter. Der entscheidende Punkt ist jetzt, dass die Hilfen auch wirklich bei den Unternehmen ankommen. Es hapert offensichtlich noch an der Auszahlung.

Nun hat aber auch die Kanzlerin kürzlich angedeutet, dass es wohl mit der bisherigen finanziellen Schlagkraft nicht weitergehen wird . . .

Für den deutschen Staat ist es kein Problem, das Geld an den Finanzmärkten zu bekommen und als Hilfen weiterzugeben. Aber aus meiner Sicht müssen die Hilfen noch sehr viel zielgenauer sein. Immerhin ist das nun auch der Ansatz der Politik.

Was heißt das konkret?

Nehmen wir ein Unternehmen, das vor allem Aushilfen beschäftigt, deren Anstellung nicht verlängert wurde. Dieses Unternehmen hat nun deutlich geringere Kosten als ein Betrieb mit Festangestellten. Aber nach der Bemessung anhand des Umsatzes bekommen beide Unternehmen Hilfen in gleicher Höhe. Das kann man nur kurzfristig machen, weil das Geld schnell und unkompliziert fließen sollte. Auf Dauer muss man die Kostenstruktur stärker berücksichtigen, was nun ab Januar mit der Bemessungsgrundlage der Fixkosten auch geschieht und vernünftig ist.

Das heißt, manchen Firmen geht es jetzt besser als vor dem Lockdown?

Solche Verwerfungen gibt es, aber nur in Einzelfällen. Insgesamt muss man aber sagen, dass Deutschland das bislang sehr gut gemacht hat. Es ist unverzichtbar, Firmen, denen die Geschäftstätigkeit verboten wurde, zu entschädigen. Das hat den Unternehmen eine gewisse Sicherheit gegeben, dass der Staat schnell und unbürokratisch eingesprungen ist - mit direkten Hilfen oder der Möglichkeit, Kredite aufzunehmen. Das Kurzarbeitergeld ist mittlerweile auch ein Vorbild für andere Länder.

Aber sind nicht die Schulden von heute die Steuererhöhungen von morgen - etwa nach der Bundestagswahl?

Die Schulden müssen nach dem Ende der Pandemie wieder abgebaut werden. Das ist die Herausforderung für die Politik. Wenn die Krise halbwegs überwunden ist und die Wirtschaft wieder auf einen normalen Wachstumspfad zurückkehrt, wird die Staatsschuldenquote auch schnell wieder sinken. Dann greift auch wieder die Schuldenbremse. Die Steuern zu erhöhen wäre dagegen der falsche Weg.

Das heißt, Sie sehen keine Belastungen der künftigen Generationen?

Der Schaden, wenn wir nichts unternommen hätten, wäre durch Insolvenzen und Massenarbeitslosigkeit wie gesagt deutlich höher. Und gehen wir nach der Pandemie mal von einem nominalen Wachstum von drei Prozent aus, dann werden wir schon Ende des Jahrzehnt wieder eine deutlich geringere Schuldenstandsquote haben. Wir rechnen jetzt mit einer Schuldenstandsquote von 72 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist noch nicht besorgniserregend, vor allem im europäischen Vergleich.

Durch die Staatshilfen werden aber auch Unternehmen am Leben erhalten, die unter normalen Umständen vom Markt verschwunden wären. Verzerrt das den Wettbewerb dauerhaft?

So genannte Zombieunternehmen sind ein Nebeneffekt, den man in Kauf nehmen muss. Wenn man die Hilfen nun aber an den tatsächlichen Kosten orientiert, senkt man das Risiko, dass solche Unternehmen entstehen. Durch die Impfstoffentwicklung ist ein Ende der Pandemie zumindest absehbar und dann findet auch wieder ein normales Wettbewerbsgeschehen statt. Unternehmen, die kein Geschäftsmodell haben und nicht mehr zukunftsfähig sind, werden vom Markt verschwinden.

Andere Länder wie etwa Italien und Frankreich waren bereits vor Corona hoch verschuldet und verschulden sich nun weiter. Droht eine neue Eurokrise?

Der entscheidende Unterschied zur letzten Krise vor zehn Jahren ist, dass der Zins nahezu verschwunden ist. Das macht es Ländern wie Italien und Frankreich leichter, die Schulden zu bedienen und damit eine neue Krise unwahrscheinlicher.

Das heißt aber für die Sparer, dass es in absehbarer Zeit keine Zinsen mehr geben wird, weil dies die Stabilität des EU-Währungsraumes gefährden würde?

Das trifft zu, denn stellen wir uns vor, dass Europa zu den Zinssätzen von vor zehn Jahren zurückkehrt, dann hätten viele Länder in Europa ein ziemliches Problem.

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