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Ralph Henger auf Zeit Online Interview 11. April 2018

Grundsteuer: „Das bisherige Modell ist veraltet und ungerecht”

Die Regierung muss nun die Grundsteuer reformieren, sagt Immobilienökonom Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft. In manchen Städten könnten die Mieten steigen – die Politik habe es in der Hand. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die Grundsteuer für 35 Millionen Grundstücke in Deutschland muss neu berechnet werden – und das in einer Zeit, in der Wohnraum in vielen Städten ohnehin schon knapp und teuer ist. Was bedeutet das Urteil für Mieter und Eigentümer?

Herr Henger, wird Wohnen in deutschen Großstädten jetzt noch teurer?

So pauschal lässt sich die Frage nicht beantworten. Für einzelne Mieter oder Wohnungseigentümer könnten die Belastungen stark steigen – zugleich aber könnten in der gleichen Stadt, nur zwei Straßen weiter, die Kosten für andere Grundstücke stark sinken. Alles hängt davon ab, was der Gesetzgeber jetzt aus dem Urteil macht.

Welche Vorgaben macht das Bundesverfassungsgericht der Regierung?

Inhaltlich nur wenige: Die Grundsteuer muss nun "gleichheitsgerecht" ausgestaltet werden, dabei besteht aber ein weitreichender Gestaltungsspielraum. Bis Ende 2019 muss aber eine neue Regelung gefunden werden. Danach soll eine Übergangsfrist bis 2024 gelten – spätestens dann muss das neue Gesetz überall angewandt werden. Klappt das nicht, dann darf die Grundsteuer nicht mehr so erhoben werden wie bisher.

Basis für die Grundsteuer war bisher der sogenannte Einheitswert. Eigentlich hätten die Grundstücke alle sechs Jahre neu bewertet werden müssen. Warum ist das nicht passiert?

Die Bewertung ist einfach sehr aufwändig. Die Finanzämter waren und sind nicht in der Lage, die Grundstücke wertbasiert angemessen zu bewerten: Hierfür fehlt ihnen Geld und Personal. Wichtig ist gerade deswegen, jetzt ein einfaches und praktikables Modell umzusetzen. Wir schlagen vor, die Grundsteuer dahingehend zu reformieren, dass allein der Bodenwert eines Grundstücks als Maßstab für die Höhe der Grundsteuer herangezogen wird. Hierdurch lassen sich die Verwaltungskosten für die Behörden enorm senken. Schließlich müssen die Beamten die Gebäude dann nicht mehr erfassen und bewerten.

Hätten die Kommunen nicht einfach den Hebesatz erhöhen können, um auszugleichen, dass die Grundstücke zu niedrig bewertet werden?

Das tun sie ja bereits seit Langem. Aber pauschal die Hebesätze anzuheben hat ja zu den Ungerechtigkeiten geführt die jetzt das Bundesverfassungsgericht moniert hat. Schließlich haben sich die Grundstückswerte in verschiedenen Lagen und je nach Grundstückstyp unterschiedlich entwickelt.

Die Kommunen nehmen mit der Steuer bisher rund 14 Milliarden Euro im Jahr ein, das sind etwa 15 Prozent ihrer Einnahmen. Wie werden sie auf das Urteil reagieren?

Wenn dann ein Modell verabschiedet wird,  werden die Kommunen versuchen, die Einnahmen für sich mindestens konstant zu halten,  indem sie ihren jeweiligen Hebesatz entsprechend anpassen. Gerade weil sie das tun können, ist ja auch noch vollkommen unklar, wie sich die steuerliche Belastung im Einzelfall verändern wird. Egal, nach welchem Modell der Gesetzgeber nun die Steuer reformiert: für Einzelne werden die Belastungen sehr stark steigen – und ebenso stark sinken. Das ist leider die logische Konsequenz daraus, dass man so lange gewartet hat.

Das Problem ist seit mindestens 20 Jahren bekannt. Warum dauert es so lange, das Verfahren zu reformieren?

Die Gesetzesinitiative liegt bei den Ländern. Weil das System so veraltet ist führt jede Reform, egal wie sie aussieht, zwangsläufig zu einer erheblichen Umverteilung zwischen den Ländern, den Kommunen und den Grundstückseigentümern. Die Länder haben bislang klar auch ihre ganz eigenen Interessen verfolgt.

2016 hatte man es sich schon fast auf eine Reform geeinigt. Damals wollte man Grund und Boden auf der Basis der sogenannten Bodenrichtwerte und die Gebäude nach dem Kostenwert ermitteln. War das aus ihrer Sicht kein vernünftiger Ansatz?

Das Modell hatte erhebliche Schwächen. Die Gebäude wurden viel zu pauschal bewertet. Dies hätte insbesondere für den Neubau zu Mehrbelastungen geführt. Auch war der Aufwand viel zu hoch. Vor allem aber bestand folgendes Grundproblem: Die Steuer stieg mit der Bebauung. Dies bremst jedoch Investitionen und es lohnt sich weniger freistehende Grundstücke in Städten zu bebauen, oder Häuser auszubauen oder zu renovieren. Angesichts des angespannten Immobilienmarkts in vielen Städten wäre das kontraproduktiv.

Hat der Gesetzgeber es deshalb verworfen?

Nein – das Modell scheiterte damals vor allem am Widerstand Bayerns und Hamburgs, die Nachteile für ihre Wähler und im Länderfinanzausgleich befürchteten.

Was wäre eine bessere Lösung?

Wir vom IW zusammen mit der Initiative Grundsteuer: Zeitgemäß! favorisieren eine Bodenwertsteuer. Die Initiative wird von vielen Verbänden wie zum Beispiel dem Mieterschutzbund oder dem Nabu getragen. Die Bemessungsgrundlage wären einzig die Bodenrichtwerte, die größtenteils bereits flächendeckend vorliegen. Hierbei würde zudem die unverhältnismäßig aufwändige und zeitraubende Gebäudebewertung wegfallen. Einigte man sich endlich auf dieses Modell, wäre die neue Grundsteuer ein echter Beitrag zum Bürokratieabbau. Dieser Vorschlag könnte problemlos innerhalb von wenigen Jahren verwirklicht werden.

Welche Vorteile hätte das?

Derzeit führen Investitionen in Grundstücke und Gebäude automatisch zu einer höheren Besteuerung. Die Grundsteuer in Form der Gebäudesteuer bestraft also Investitionen, belohnt Spekulation und führt somit durch Angebotsverknappung zu steigenden Bodenpreisen und Wohnungsmieten. Eine Bodensteuer hätte dagegen stark positive Effekte auf den Boden- und Wohnungsmarkt. Sie verhält sich gänzlich neutral gegenüber Investitionen, würde Spekulation verteuern und schafft somit Anreize, zu bauen. Damit würde eine Bodensteuer die Planungsziele der Städte und Gemeinden stärken, anstatt sie zu konterkarieren. Zudem hätte die Bodensteuer über das steigende Wohnraumangebot auch eine dämpfende Wirkung auf Bodenpreise und Mieten.

Könnte so ein Modell die Zustimmung Bayerns finden?

Bayern favorisiert bislang einen dritten Ansatz, in dem nur die Größe des Grundstücks und die Bruttogrundfläche maßgeblich für die Ermittlung der Grundsteuer sein sollen. Wo sich die Grundstücke befinden und welchen Wert die Gebäude haben, wäre dann unerheblich. Dieses Modell hat zwar den Vorteil, dass es einfach ist, aber es wäre extrem ungerecht, da dann wertvolle Immobilien in Toplagen genauso hoch besteuert werden würden wie andere in schlechten Lagen. Ich bezweifle stark, dass das verfassungskonform ist.

Welche Reformidee hat jetzt die besten Chancen?

Das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einen großen Gestaltungspielraum gelassen. Wir rechnen unserem Modell trotzdem gute Chancen aus, da es schnell umzusetzen, gerecht und praktikabel ist. Es reicht meines Erachtens vollkommen aus, wenn wir Grund und Boden besteuern. Bislang hat noch kein Konzept zu Bewertungen von Gebäuden überzeugt.

Wer verliert am Ende, wer gewinnt?

Die Grundstücke werden deutlich höher bewertet, vor allem in den Regionen, die in den vergangenen Jahrzehnten boomten. Da die Kommunen aber über den Hebesatz entscheiden, haben sie es auch in der Hand, über die Belastung vor Ort zu entscheiden.

Zum Interview auf zeit.de

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