Die Ungleichgewichte sind Folgen mangelnder Disziplin in den südeuropäischen Mitgliedstaaten.
Euro: Zone im Schlechtwettertest
Diese Krise ist so tiefgreifend, dass sie manch Unrat nach oben spült. Im grellen Licht dieser Tage sind viele Dinge nicht mehr so ansehnlich, wie es im Halbschatten des Booms der Fall war. Dies gilt auch für die Verhältnisse in der Europäischen Währungsunion, freilich nicht in Bezug auf die Politik der Europäischen Zentralbank, sondern hinsichtlich der offenbarten Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedsländern. Zum zehnten Geburtstag muss der Euro einen starken Test auf Robustheit bestehen, die Schönwetterphase liegt hinter uns.
Dabei dürfen die Schwierigkeiten der südeuropäischen Mitgliedstaaten nicht fälschlicherweise der Währungsintegration angelastet werden und von daher das Argument bedienen, die EZB, Brüssel oder die stabileren Volkswirtschaften wären automatisch in der solidarischen Pflicht. Die Ursachen der Verwerfungen, die sich in deutlichen Risikoprämien für Staatsanleihen der Südländer und in der öffentlich geführten Diskussion über die Möglichkeit eines Staatsbankrotts ihren Ausdruck verschaffen, weisen weit zurück, bis zum Einstieg in die Währungsunion.
In der zweiten Hälfte der 90er-Jahre begründete die immer glaubwürdigere Erwartung, dass es mit der Währungsunion nicht nur ernst wird, sondern dass dieser von Beginn an traditionelle Inflationsländer angehören werden, eine Konvergenz der Zinsen im künftigen Euro-Raum. Diese auch bei den Realzinsen bedeutsame Angleichung an das Niveau des preisstabilsten Landes begründeten ebendort – in Deutschland – erhebliche Anpassungslasten. Ein relativer Standortvorteil schmolz dahin. Im Süden Europas wirkte dies aber wie ein keynesianisches Programm.
Vor allem der Immobiliensektor begann zu boomen, offerierte Preissteigerungen, die Wohlstandszuwächse versprachen, und nährte so seine eigene Expansion. Aber auch der Konsum und die Investitionen wurden spürbar angekurbelt. Zusätzlich waren die zum Beginn der Währungsunion fixierten Wechselkurse für einige der Länder zu günstig, was wiederum den Export beflügelte. Diese binnenwirtschaftliche Expansion wurde nach 1999 dadurch unterstützt, dass die einheitliche Geldpolitik gerade in den stärker inflationierenden Ländern zu stärker sinkenden Realzinsen führte.
Der damit angelegte Aufschwung führte zu erheblichen Lohnsteigerungen, die regelmäßig den geringen Zuwachs der Arbeitsproduktivität überforderten. Der daraus unweigerlich resultierende Anstieg der Lohnsrückkosten verschlechterte die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Länder. Die Exporte verteuerten sich stark, die Importe stiegen angesichts der Lohnsteigerungen und des Immobilienbooms. Im Ergebnis wuchsen die Leistungsbilanzdefizite deutlich auf 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Griechenland und zehn Prozent in Spanien (2007).
Insofern sind die Ungleichgewichte, welche die Kapitalmärkte beunruhigen, Folgen mangelnder Disziplin in den betroffenen Ländern. Die Heilung kann nur durch eine umfassende Nachlieferung des Versäumten in diesen Volkswirtschaften gelingen. Fiskalische Disziplin ist dafür ebenso zu fordern wie lohnpolitische Zurückhaltung. Freilich wird das kaum in der Krise gelingen, die politischen Widerstände sind enorm. Der Euro würde als Sündenbock gebrandmarkt. Auch dürften Ankündigungen der jeweiligen Regierung die Märkte kaum beruhigen.
Da ein Austritt aus der Währungsunion allenfalls theoretisch skizzierbar ist, aber unter den obwaltenden Umständen als Offenbarungseid gelten würde, müssen die Südländer Reputation und Glaubwürdigkeit importieren. Das können nur Hilfen der starken Länder – allen voran Deutschland – bewirken. Freilich steht dem Artikel 103 des EG-Vertrages entgegen, der ein „Bail-out“ innerhalb der Währungsunion ausschließt. Die fiskalische Disziplin soll dadurch gefördert und der Sanktionsmechanismus der Kapitalmärkte gestärkt werden. Artikel 100 Absatz 2 EG-Vertrag bietet jedoch die Möglichkeit des Beistands bei schweren Belastungen.
Die Krise kann als eine solche Situation gewertet werden. Denkbar wären temporäre Garantien, aber auch Kredite starker Volkswirtschaften, die mit einem Zinsaufschlag – aber deutlich unterhalb der Risikoprämien des Marktes – zu bedienen wären. Nicht geben darf es allerdings Euro-Staatsanleihen, die disziplinierte Länder zugunsten disziplinloser belasten würden. In jedem Fall müssen die Hilfeempfänger sich durch ein „European Stability Commitment“ strikt zur Konsolidierung nach der Krise verpflichten.
Gelingt dies, dann geht Europa geläutert daraus hervor.
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