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Michael Hüther Gastbeitrag 1. Oktober 2009

Von Pittsburgh nach Berlin

Die neue Regierung muss alles daransetzen, das gut Gemeinte durch das gut Gemachte zu ersetzen.

Für die Staatengemeinschaft war es eine gute Erfahrung: Die G2O-Konferenz von Pittsburgh hat wichtige Beschlüsse über die künftige Ordnung der Finanzmärkte gebracht. Zentral ist die Einigung über verschärfte Eigenkapitalanforderungen für die Banken. Die Unterkapitalisierung des Bankensystems war wesentlich für die globale Eskalation der Krise und die Anfälligkeit vieler Banken. Will man die Widerstandsfähigkeit stärken, dann ist diese Verschärfung unvermeidlich.

Freilich sind noch viele Aspekte im Detail zu klären, sie betreffen die Qualität des Eigenkapitals und die Indikatoren seiner Bestimmung. Doch insgesamt bleibt der Befund, dass die Festlegungen für die künftige Regulierung der Finanzmärkte sehr konsistent sind. Auch die Frage, über welchen Zeitraum die Einführung der neuen Eigenkapitalregeln gestreckt wird, ist angemessen beantwortet worden. Gelingt es nun, dies in das Rahmenwerk von Basel II zu integrieren, dann sollte die Risikoüberdehnung des Finanzsystems sich künftig nicht mehr in dem erlebten Maße zeigen. Der Grad an definierter Verbindlichkeit für die G2O ist hoch, mehr konnte man objektiv nicht erwarten.

Bemerkenswert an der Konferenz von Pittsburgh ist auch der Konsens, die G2O zum zentralen internationalen wirtschaftspolitischen Gremium zu machen und fest zu installieren. Dem Fortschritt in der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung wird damit entsprochen. Klar muss freilich sein, was die Regierungskonferenz der G2O zu leisten Vermag und was nicht: Es ist keine Weltregierung für die Wirtschaft. Die hier gefundenen Einsichten und Vereinbarungen bedürfen immer der nationalen Vermittlung und Umsetzung; niemand ist dort der Verantwortung enthoben.

Man kann kritisch fragen, was ein solches Gremium dann überhaupt bewirken könne und ob es nicht nur ein weiteres Kaffeekränzchen sei Man unterschätze jedoch nicht die Bedeutung, die angesichts der fortgeschrittenen globalen Vernetzung der Herstellung eines gemeinsamen Grundverständnisses über deren Voraussetzungen und Bedingungen zukommt. Insofern bietet die G2O ein Kommunikationsversprechen, das elementar einer internationalen Koordination voranzustellen ist. Deren Wert konnten wir in dieser Krise erfahren.

Bei all der positiven Bewertung bleibt das Resümee von Pittsburgh nicht ohne Schattenseite. Denn konsequent ausgeklammert wurde jener Ursachenbereich der großen Krise, den die Politik zu verantworten hat. Die berechtigten Hinweise auf Verfehlungen der Marktakteure entlasten die Regierungschefs nicht von der Frage nach dem Staatsversagen. Hier scheint alles vergessen zu sein. Kein Wort zur expansiven Politik der Fed, kein Wort zu den politischen Banken, die – ob als Fannie Mae und Freddie Mac in den USA oder als IKB oder Landesbanken bei uns – großen Anteil an der Krise haben.

Diese Einseitigkeit der Krisenperzeption gibt den Raum für jene Mythen, die mit Inbrunst verbreitet werden: Die Marktakteure sind die Bösen, die Märkte degeneriert. Dabei müsste die Erzählung anders lauten: Die Krise ist in erheblichem Maße die Folge einer Politik, die linker Verteilungsideologie sehr nahe kommt. Dies gilt für die laxe Geldpolitik in den USA ebenso wie für die dort über vielfältige Interventionen in den privaten Wohnungsbau praktizierte Sozialpolitik. Das anzuerkennen ist für die entsprechend interessierten Gruppen offenbar schwer. Die Staatsgläubigkeit ist selbst nach evidentem Staatsversagen kaum zu erschüttern.

Doch von der neuen Bundesregierung können wir erwarten, dass sie sich von falschen oder einseitigen Mythen befreit. Der Obergang in eine Politik für normale Zeiten wird nur gelingen, wenn man nicht versucht, sich durch billige Floskeln einen schlanken Fuß zu machen. Die abgewählte Regierungskoalition hat aber genau dies in den letzten Wochen des Wahlkampfs einmütig getan. Die Forderung nach einer Steuer auf Finanzmarkttransaktionen steht dafür. Dabei ist die Lektion der Krise eindeutig: Eine Politik des gut Gemeinten führt selten zu Gutem.

Und das gilt auch für die Forderung nach einer Tobin-Steuer. Will man wirklich die Finanzierung der Unternehmen verteuern und die Anlageperspektiven der steuerlich mit großem Aufwand geförderten privaten und betrieblichen kapitalgedeckten Altersvorsorge belasten? Erkennen jene, die solches fordern, wirklich den Zusammenhang? Oder wollen sie gleich die kapitalgedeckte Altersvorsorge mit abschaffen? Solchen Fragen sollte sich die neue Regierung gar nicht erst aussetzen. Es ist Zeit, endlich das gut Gemeinte durch das gut Gemachte zu ersetzen. Dafür haben sich in Berlin immerhin die Chancen deutlich verbessert.

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