Die neuen Modelle für Mitarbeiterbeteiligung sind nicht besser als die alten Ladenhüter der Debatte.
Vermögensbildung in Politikerhand
Es war zu erwarten: Die Parteien der großen Koalition wollen die Beteiligung der Mitarbeiter an ihren Unternehmen, traditionell als Investitionsmodell geführt, zum großen Gestaltungsthema für die zweite Hälfte der Legislaturperiode machen. Schon zum Jahreswechsel 2005/06 hatte sich angekündigt, dass dieser Ladenhüter der wirtschaftspolitischen Debatte vor neuer Erweckung stehen würde. Beide Parteien haben nun Modelle vorgestellt, die von tiefer Sorge um die gesamtwirtschaftlichen Verteilungsrelationen getragen sind.
Wie von großem Erstaunen geprägt wirken die fast formulierungsgleichen Feststellungen in beiden Konzepten, dass Gewinne und Kapitaleinkommen in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen sind als die Arbeitseinkommen. Der in der Öffentlichkeit beliebte Hinweis auf die nunmehr seit dem Jahre 1981 trendmäßig sinkende I.ohnquote ergänzt den Befund. So eingängig die Lohnquote ist, so fragwürdig ist sie jedoch, wenn es darum geht, die Einkommensposition der Arbeitnehmer und die des gesamten Arbeitsangebots in einer Volkswirtschaft angemessen zu beschreiben.
Arbeitnehmerhaushalte beziehen einen immer größeren Anteil ihres Einkommens aus Kapitalvermögen; der Blick auf die I.ohnquote greift schon deshalb zu kurz. Dies gilt ebenso, weil darin die relativ bedeutender werdenden Arbeitseinkommen der Selbstständigen nicht enthalten sind. Übersehen sollte man auch nicht, dass die hohen Lohnzuwächse früherer Jahre zwar die Lohnquote zu stabilisieren vermochten, zugleich aber die damit einhergehende Arbeitslosigkeit die Einkommenslage der Arbeitnehmer geschwächt hatte. Schließlich weist die vergangene Entwicklung darauf hin, dass die Lohnquote stets im konjunkturellen Tief ansteigt.
Nun, es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Politik um Sachargumente weniger kümmern würde als um Gefühle - die eigenen wie die den Bürgern unterstellten. Doch schon hinsichtlich der Ziele staatlich geförderter Mitarbeiterbeteiligung bleiben in beiden Konzepten viele Fragen offen: Soll primär die Vermögensverteilung und damit auch die Einkommensverteilung verändert werden? Oder geht es um den verbesserten Zugang der Unternehmen zu Eigenkapital oder Quasi-Eigenkapital? Soll die Motivation der Mitarbeiter für die Unternehmen gestärkt werden? Oder geht es um die Bindung der Mitarbeiter an die Unternehmen? Geht es also um empfundene Gerechtigkeitsdefizite, vermutete Allokationsprobleme oder Mängel in der Unternehmenskultur?
Wer die Vermögensverteilung ändern will, der muss erreichen, dass die angeregte Ersparnis der Arbeitnehmer die Sparquote erhöht und nicht lediglich Umschichtungen zu Gunsten der geförderten Anlageformen auslöst. Wer das Eigenkapital der Unternehmen, vor allem der kleinen und mittleren, stärken will, der sollte alle Bemühungen, beispielsweise steuerpolitisch, auf die Verbesserung der Ertragskraft richten. Wer den Unternehmen bei der Gestaltung ihrer internen Strukturen helfen will, der überprüfe einmal so weit gehende staatliche Eingriffe wie das Mitbestimmungsrecht. So fragt man sich, welche Zuständigkeit dem Staat bei der Gestaltung der Mitarbeiterbeteiligung zukommt.
Die Union spricht von der "Entscheidungsfreiheit für Arbeitnehmer und Betriebe". Was aber bedeutet dies, wenn bis zu einem Einkommen von derzeit 47.700 Euro ein erhöhter Freibetrag in der Einkommensteuer gewährt werden soll und das Anlagekalkül dieser Arbeitnehmer verzerrt wird? Wo bleibt die Wahlfreiheit, wenn Lohnanteile nur so lange steuerfrei bleiben, wie sie im eigenen Unternehmen investiert werden? Was gewinnen Unternehmen, die so dem kritischen Blick des Kapitalmarkts teilweise entgehen? Wie lassen sich die damit verbundenen Effizienzverluste der Kapitalverwendung begründen? Alle Fragen bleiben offen bei der "sozialen Kapitalpartnerschaft"(!).
Die SPD will neben einer geringfügigen Ausweitung der steuerlichen Förderung das Problem des doppelten Risikos - Beschäftigungsrisiko und Anlagerisiko - bei einer Beteiligung am eigenen Unternehmen lösen. Dafür soll ein "Deutschlandfonds" eingerichtet werden, der die Einlagen der Beschäftigten einsammelt und quasi zweckgebunden an das eigene Unternehmen weiterleitet. Durch die Bündelung der Mittel aus vielen Unternehmen und ein "professionelles Fondsmanagement" soll das Risiko für die Beschäftigten verringert werden. Doch wie soll der Konflikt zwischen der Quasi-Zweckbindung und einer aktiven Portfoliosteuerung gelöst werden? Auch hier sind alle Fragen offen.
Dieser Fonds, bei dem im Fall der Fälle zuletzt sicher der Steuerzahler aushelfen muss, nährt die Illusion der risikolosen Anlage. Zum Engagement am Kapitalmarkt gehört aber das bewusste Eingehen und Managen von Risiken. Gerade die Bezieher niedriger Einkommen werden auf die falsche Fährte gesetzt. Will man sinnvoll etwas für die Kapitalbildung in unserer Volkswirtschaft tun, dann muss man von selektiven Eingriffen gänzlich absehen. Von der allgemeinen Sparförderung kommt man dann schnell auf die Idee der Konsumbesteuerung.
Sicherlich kann dies derzeit nur eine steuerpolitische Vision sein. Doch für die sicher nicht einfache, aber mögliche Klärung von Gestaltungsfragen würde sich jede Anstrengung lohnen, eher jedenfalls als für Mitarbeiterbeteiligungsmodelle. Akzeptieren wir doch endlich, dass angesichts der großen Bedeutung von Personenunternehmen einerseits und der ausgebauten betrieblichen sowie Unternehmensmitbestimmung andererseits Spielraum und Anreiz für Kapitalbeteiligungsmodelle in Deutschland gering sind. Man bewahre uns vor Vermögensbildung in Politikerhand.
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