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(© Foto: Bastiaan Slabbers/iStock)
Michael Hüther in der Welt Gastbeitrag 16. November 2016

Was bei uns anders ist als in den USA

Die Wahl von Donald Trump wird uns noch lange Rätsel aufgeben und für Verunsicherung sorgen. Unabsehbar ist, was Trump von seinen im Wahlkampf vorgetragenen kruden Ideen umsetzen will und kann. Dass dies alles – wie manche nun abwiegeln – im Korsett der Sachzwänge untergeht, mag man sich ja wünschen können. Doch naiv ist es schon, denn es bedeutete, dass am Ende die handelnden Personen unwichtig sind. Warum haben wir uns dann über den Wahlkampf so entrüstet? Nein, den Reden werden auch Taten folgen.

Was bedeutet das für Deutschland? Wird auch unsere politische Landschaft durch den Populismus umgepflügt? Ein paar Befunde sind dafür erhellend. Zunächst zeigt die Analyse der Wählergruppen, dass Trump nicht die Ärmsten und nicht die Migranten gewählt haben, sondern besonders die weiße, männliche Mittelschicht mit unterdurchschnittlicher Bildung. Die haben wir so nicht. Trumps Erfolg erklärt sich darüber hinaus nicht aus einer stärkeren Mobilisierung früherer Nichtwähler, sondern aus der schwachen Bindung der traditionellen Demokraten durch Hillary Clinton. Das kann überall passieren.

Spannend an der Trump-Wahl wie im Übrigen an dem Brexit-Votum vom Juni ist, dass die Daten zur Arbeitslosigkeit und zur gesamtwirtschaftlichen Dynamik ihre Indikationskraft für Wahlergebnisse verloren haben. Wir müssen tiefer schauen: Die Mittelschicht bezogen auf die Nettoeinkommen umfasst in den USA nur noch 30 Prozent der Haushalte, in Deutschland hingegen knapp 50 Prozent.

Noch bedeutender ist der Befund, dass die Variation der Pro-Kopf-Einkommen zwischen den Regionen in den USA besonders stark ist, deutlich stärker als bei uns und weiter zunehmend, während sie hierzulande abnimmt. Zugespitzt gilt, dass die ökonomischen Kraftzentren der USA – die Wall Street und das Silicon Valley – national als Blasen ohne Bodenhaftung erscheinen, aus denen weder Einkommen andernorts noch Impulse für den Strukturwandel resultieren. Der Rest in den USA ist viel ökonomische Einsamkeit.

Das lässt für Deutschland hoffen. Dahinter steht die historische Spezialität des deutschen Föderalismus, die sich heute in vielfältigen unternehmerischen Vernetzungen in und über die Regionen sowie einer multipolaren wirtschaftlichen Struktur auswirkt. Der Mittelstand im Industrie-Dienstleistungsverbund ist bundesweit präsent und sorgt dafür, dass Wohlstandsmehrung in der Breite der Gesellschaft ankommt.

„The most optimized version of capitalism“ – wie es im Silicon Valley heißt – ist trotz aller digitalen Blendung keine Verheißung für Deutschland. Während in den USA die Staatstätigkeit unterkritisch ist und eine zielgerichtete, effektive Ausweitung kulturell kaum vermittelbar scheint, haben wir es immerhin geschafft, diese in den letzten anderthalb Jahrzehnten einigermaßen angemessen zu justieren. Eine reformierte soziale Sicherung, eine erneuerte Sozialpartnerschaft, die Anstrengungen in der Bildungs- und Forschungspolitik zählen ebenso dazu wie die umfassend modernisierte Gesellschaftspolitik.

Starker Mittelstand, stabile Mittelschicht und regionaler Ausgleich sind bedeutsame ökonomische sowie gesellschaftliche Unterschiede zwischen Deutschland und den USA. Maß und Mitte erscheinen hier nicht als Anspruchsverzicht und Mittelmaß, sondern als Absage an Extremismus. Deutschland ist somit nicht nur an der Oberfläche in einer guten ökonomischen Verfassung. Wettbewerbsfähige Arbeitsplätze mit steigenden Reallöhnen sind kein isoliertes Randphänomen.

Demokratie und Marktwirtschaft entspringen beide dem Grundsatz der Freiheit und Verantwortung, sie beruhen beide auf einer positiven Sicht auf die Entscheidungsfähigkeit des Menschen. Wer diesen Zusammenhang sichern will, der muss die ökonomische Entwicklung in ihrer historisch-kulturellen Dimension erkennen. So gesehen sind die Chancen für Deutschland nicht schlecht, den Populismus und seinen Absolutheitsanspruch einzudämmen. Manche finden ihn unterhaltsam. Ein Beitrag zu einer konstruktivkritischen Auseinandersetzung ist es nicht, weil es die Veränderung im System mit der Ablehnung des Systems verwechselt.

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