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(© Foto: itTock)
Michael Hüther in der Süddeutschen Zeitung Gastbeitrag 2. Mai 2020

Vorsicht vor dem Staat

Was bei einem Einstieg der öffentlichen Hand zur Rettung von Unternehmen zu beachten ist. Ein Gastbeitrag von IW-Direktor Michael Hüther in der Süddeutschen Zeitung.

Es ist eine Politik der doppelten Extreme: Auf Basis des Infektionsschutzgesetzes wurde wie noch nie in die verfassungsverbürgten Grundrechte eingegriffen; und wie noch nie wird kompensatorisch die Finanzpolitik bemüht, um den dramatischen Folgen des damit verfügten Lockdowns entgegenzuwirken. Die Krisenpolitik hat grundsätzlich richtig und im Timing angemessen reagiert. Nach der Liquiditätssicherung und der Solvenzsicherung soll nun die Eigenkapitalhilfe durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds folgen.

Dieser Fonds soll bis Jahresende 2021 grundsätzlich für Unternehmen zur Verfügung stehen, die in den beiden vergangenen abgeschlossenen Bilanzjahren zwei der drei folgenden Kriterien erfüllten: Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro, Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro sowie im Jahresdurchschnitt mehr als 249 Arbeitnehmer. Die konkrete Ausgestaltung dieser Rekapitalisierung wird noch diskutiert, erste Anwendungsfälle sind in Sichtweite.

Immer, wenn der Staat in die Nähe unternehmerischer Verantwortung kommt, ist besondere Obacht geboten. Ordnungspolitische Verstöße in diesem Feld können der Politik unnötige Probleme bereiten und hohe volkswirtschaftliche Kosten verursachen. Das gilt vor allem dann, wenn in Unternehmenspolitik oder gar Strategie eingegriffen wird und eine Politisierung des Geschäftsmodells droht. Mit zunehmender Unternehmensgröße nimmt dieses Risiko erfahrungsgemäß überproportional zu. Die Überführung eines Unternehmens in (teilweise) staatliches Eigentum muss in einer marktwirtschaftlichen Ordnung immer eine Ausnahmesituation bleiben und bedarf besonderer Begründung.

Einerseits kann angeführt werden, dass ein temporäres Staatseigentum Übernahmen standortkritischer Unternehmen durch Dritte verhindern kann, die ausschließlich durch die krisenbedingte niedrige Bewertung möglich werden. Dem Gedanken entsprechend richtet sich das Gesetz an Unternehmen, die zum 31. Dezember 2019 nicht die EU-Definition von "Unternehmen in Schwierigkeiten" erfüllt haben. Andererseits wird auf die besondere infrastrukturelle Bedeutung und Beschäftigungswirkung verwiesen. Schließlich können mit einer staatlichen Beteiligung möglicherweise beihilferechtliche Restriktionen umgangen werden.

Diese Argumente sind weder abwägungsfrei noch eindeutig. Deshalb sind weitere Kriterien für eine Beteiligung des Staates zu definieren: Erstens handelt es sich um eine fremdverschuldete und nicht dauerhafte Krise; das trifft auf die Corona-Krise zu. Zweitens muss das Geschäftsmodell längerfristig wirtschaftlich sein, so dass von einem zeitlich eng begrenzten staatlichen Engagement ausgegangen werden kann; so verlangt es das Gesetz. Drittens werden Spillover-Effekte auf andere Branchen nachgewiesen, die dafür sprechen, den bestehenden oder einen im Inland ansässigen Anbieter zu erhalten. Nur wenn dieses notwendige Angebot bei veränderter Angebotsstruktur nicht mehr wettbewerblich bereitgestellt werden kann, ist ein temporäres staatliches Eigentum zu rechtfertigen.

Die staatliche Beteiligung soll keine dauerhafte Eigentümerposition begründen, sondern die Fortführung oder auch Neuaufstellung des Unternehmens für eine bestimmte Zeit ermöglichen - ähnlich wie beim Schutzschirmverfahren mit Eigenverwaltung im Insolvenzrecht, wo die staatliche Beteiligung das Unternehmen nicht von bestehenden Zahlungsverpflichtungen entbindet. Bei der Ausgestaltung der Staatsbeteiligung sind verschiedene Merkmale zu beachten: Mit einer staatlichen Eigentumsübernahme ist ein Sanierungskonzept vorzulegen, um die Fortführung des Geschäfts nach Beendigung der Krise aufzuzeigen. Dies kann auch das Schrumpfen auf ein dann niedrigeres Geschäftsvolumen umfassen.

Da zusätzliches Eigenkapital von privater Seite in das Unternehmen eingebracht werden soll, ist ein Aufkauf von Aktien nicht angemessen. Die staatliche Eigentumsübernahme soll für sich genommen nicht dazu führen, dass die bisherigen Eigentümer aus der Mitträgerschaft der Verluste entlassen werden. Eine Kapitalerhöhung würde den Wert der Aktien der vorhandenen Eigentümer nur im Maße der höheren Überlebenswahrscheinlichkeit des Unternehmens steigern, Gleiches gilt für eine stille Reserve. Für die Zeit der staatlichen Beteiligung soll auf Ausschüttungen vollständig oder teilweise verzichtet werden. Eine normale Ausschüttung würde dem Charakter der schweren Krise widersprechen, die das staatliche Engagement erst nötig gemacht hat.

Der Staat soll aus den genannten Gründen nicht in das konkrete Geschäft des Unternehmens eingreifen, zumal es um eine zeitlich sehr begrenzte Aktion geht, die einen solchen Eingriff für sich genommen gar nicht rechtfertigen würde. Das finanzielle Engagement soll rein passiv sein, analog zu einer stillen Beteiligung. Daher sollte der Staat auch nicht im Aufsichtsrat oder vergleichbaren Aufsichtsgremien vertreten sein. Der Einstieg des Staates ist mit einer Reprivatisierungsverpflichtung zu versehen. Diese ist spätestens dann wirksam, wenn die Vorkrisenbewertung an den Aktienmärkten wieder erreicht wurde. Den Altaktionären ist ein Vorkaufsrecht zu Marktpreisen einzuräumen, damit die staatliche Unterstützung einen möglichst geringen dauerhaften Einfluss auf die Eigentümerstruktur hat.

All das klingt angesichts der riesigen Rettungssummen kleinteilig. Doch bei staatlichen Beteiligungen kommt man leicht in eine Schieflage mit erheblichen Folgen für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. Das größte Risiko liegt in der Politisierung der Unternehmen, was zusätzliche Probleme begründet und am Ende dauerhaft den Staat ins Boot holt. Deswegen ist es so bedeutsam, hier eine verlässliche ordnungspolitische Linie zu haben.

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