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Michael Hüther auf INSM.de Gastbeitrag 27. Juni 2012

Verschwendung von Steuergeldern trotz Rekordverschuldung

Prof. Dr. Michael Hüther lässt kein gutes Haar an der aktuellen Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung. Die Ziele der deutschen Familienpolitik seien widersprüchlich und die staatliche Förderung der privaten Pflegezusatzversicherung durch eine monatliche Zulage von 5 Euro "gänzlich unnütz" - ein Standpunkt des Direktors des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.

Trotz europäischer Staatsschuldenkrise und einer Rekordverschuldung von Bund, Ländern und Kommunen in Höhe von 2,042 Billionen verschwendet die Bundesregierung weiter Steuergelder. Die Einführung des Betreuungsgeldes ist ökonomisch äußerst bedenklich; weil sie fatale Anreize setzte und zudem der bisherigen Familienpolitik widerspricht.

Die Förderung der privaten Pflegezusatzversicherung scheint überhaupt kein Ziel vor Augen zu haben und wird den Steuerzahler wohl doppelt so viel kosten wie geplant. Zu guter Letzt rücken übereifrige Europäer der Bundesregie-rung mit der Forderung nach Eurobonds, Schuldentilgungsfonds oder einer Bankenunion zu Leibe. Hier wird es für die Bundesregierung nicht einfach sein, ihre klare Linie zu halten.

Die widersprüchlichen Ziele der deutschen Familienpolitik – zum einen der Rechtsanspruch auf einen staatlich geförderten Betreuungsplatz für Ein- und Zweijährige ab 2013 und zum anderen die finanzielle Förderung der Kleinkindbetreuung zu Hause – werden aller Voraussicht nach nicht erreicht und teurer als vorgesehen.

Hinzu kommt, dass die Familienförderung der Bundesrepublik durch Leistungen wie Kindergeld sowie Steuererleichterung für Familien mit rund 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ohnehin schon üppig ausfällt. Das Betreuungsgeld für sich genommen belastet den Staatshaushalt laut Berechnungen des Familienministeriums (BMFSFJ) mit zusätzlichen 1,23 Milliarden Euro pro Jahr. Anstatt das Geld in den Ausbau von Kindertageseinrichtungen oder in den Ausbau von Ganztagsschulen zu stecken, setzt das BMFSFJ aus koalitionspolitischer Räson falsche Anreize, die beträchtlichen ökonomischen Schaden nach sich ziehen werden.

Das Betreuungsgeld geht vor allem zu Lasten der Zukunft von Müttern und Kindern:

  • Mütter, die arbeiten möchten, nehmen meist die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung in Anspruch, um auch möglichst viel Zeit mit ihren Kindern zu ver-bringen. Diese dürfte sich nach Einführung des Betreuungsgeldes aber vielfach nicht mehr lohnen: Bei Erwerbstätigkeit müssten sie auf das Betreuungsgeld ver-zichten und gleichzeitig Kitagebühren bezahlen. Längerfristig erhöht die sinkende Erwerbstätigkeit die Armutsgefährdungsquote.
  • Kinder aus bildungsfernen und einkommensschwächeren Familien profitieren von der frühkindlichen Förderung in Kitas und Kindergärten. Bleiben diese Kinder zu Hause, so hat das negative Folgen auf ihre Schullaufbahn und damit häufig gleich auf ihr ganzes Leben. Vor allem Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund verpassen durch das Betreuungsgeld die Chance in ihrer Sprachentwicklung unterstützt zu werden. Automatische und kostengünstige Integrationspolitik wird somit von Staatswegen behindert. Der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Bildungschancen droht durch das Betreuungsgeld eher an Bedeutung zu gewinnen, anstatt verringert zu werden.

Die staatliche Förderung der privaten Pflegezusatzversicherung durch eine monatliche Zulage von 5 Euro ist gänzlich unnütz: Sie schließt keine Versorgungslücke, die durch eine Reduktion des gesetzlichen Versorgungsumfangs zukünftig entstehen kann. Im „besten“ Fall gibt sie Bürgern zusätzliche Anreize verstärkt vorzusorgen, obwohl Privatversicherte dies auch ohne Unterstützung durch den Fiskus tun. Im „schlechtesten“ Fall wird die Zulagenförderung nicht in Anspruch genommen. Sie entlastet weder die gesetzliche Pflegekasse, noch bremst sie den drohenden Beitragsanstieg. Sie löst die Probleme der sozialen Versicherung nicht. Im Gegenteil, sie erschwert die Haushaltskonsolidierung unnötigerweise um 90 Millionen und 2,2 Milliarden Euro, je nach Nachfrage.

Die Einführung von Eurobonds und Co. würde – wie Kanzlerin und Finanzminister nicht müde werden zu betonen – eine Haftungsunion bedeuten, ohne die institutionellen Voraussetzungen für eine angemessene Kontrolle und notwendige Durchgriffsrechte auf die nationale Ebene zu schaffen. Abgesehen davon, dass Lasten ungleich getragen werden müssten, setzen diese Instrumente falsche Anreize für die Zukunft. Eine nachhaltige Finanzpolitik, wie sie Deutschland anstrebt, wird so nicht entstehen.

Außerdem wäre die deutsche Solidarität gegenüber seinen Partnern schnell überstrapaziert, was letztlich fatale Folgen für die Europäische Integration haben kann. Zudem ist die wirtschaftliche Ratio eines kurzfristigen Krisenmanagements durch Eurobonds & Co. fragwürdig.

Die Instrumente sind kurzfristig nicht wirkungsvoll. Dementsprechend kommen Eurobonds, Schuldentilgungsfonds und die Bankenunion erst in Frage, wenn die fundamentalen institutionellen Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind. Bis das erreicht ist, können allerdings Jahre vergehen. Vorher sind alle Diskussionen über diese Instrumente reine Irrlichter und sie schüren nichts als Illusionen, auch wenn angelsächsische Investoren darauf wetten. In den letzten beiden Jahren hat die Bundesregierung Haushaltsdisziplin geübt und gut daran getan. Dieser Erfolg sollte nicht gleich durch üppige Steuerverschwendung und allzu nachgiebiger Großzügigkeit verbraucht werden. Besonders ärgerlich ist das, wenn diese Politik kein Wirkungspotential entfaltet… schlimmer noch, wenn diese Politik dauerhafte ökonomische und soziale Missstände herbeiführt.

Zum Beitrag auf www.insm.de

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