Das bevölkerungsreichste Land der Bundesrepublik hängt durch, die neue Landesregierung steht vor großen Herausforderungen. Dabei hat Nordrhein-Westfalen starke Potenzialfaktoren, schreibt IW-Direktor Michael Hüther in einem Gastbeitrag im Weser-Kurier.
Ungenutzte Potenziale
Die neue Landesregierung von Nordrhein-Westfalen steht vor großen Herausforderungen. Denn das Land ist in den letzten 16 Jahren im Bundesvergleich nur unterdurchschnittlich gewachsen, die Arbeitslosigkeit ist verglichen mit den Flächenländern überdurchschnittlich. Die Landesfinanzen sind in unverändert schwieriger Verfassung und das Investitionsgeschehen unbefriedigend. Das bevölkerungsreichste Land der Bundesrepublik hängt durch.
Dabei hat Nordrhein-Westfalen starke Potenzialfaktoren: Vor allem eine reichhaltige Industriestruktur, die sich in allen Regionen des Landes findet und in Netzwerken sowie Clustern verankert ist. Die Unternehmen des Industrie-Dienstleistungsverbundes sind international wettbewerbsfähig und vielfach Weltmarktführer sowie „Hidden Champions“. Vielfältige und starke Forschungsinstitutionen, industrielle Verbundforschung und eine gut ausgebaute Hochschullandschaft sind ebenso auf der Habenseite zu finden.
Vorreiter in Sachen Digitalisierung
Die Digitalisierung als Treiber des Strukturwandels ist in der NRW-Wirtschaft stärker angekommen als im bundesdeutschen Schnitt. Auch konnten in Nordrhein-Westfalen in kurzer Zeit über 1000 neue Start-ups für die digitale Wirtschaft entstehen. Bei dem in dieser Hinsicht sich eher langsam bewegenden kleineren und mittleren Unternehmen ist der Digitalisierung mittlerweile stärker als im Bundesdurchschnitt.
Und bei den Industrieunternehmen wird NRW sogar zu einem Paradebeispiel für den digitalen Wandel. Besonders wichtig ist dafür, dass die etablierten Unternehmen bereits in erheblichem Umfang mit Start-ups kooperieren, sodass neue Netzwerke als potenziale Wachstumstreiber entstehen.
Schwächen in der Bildung
Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist also nicht das Problem. Sie zu stärken und volkswirtschaftlich wirksamer werden zu lassen, macht die Bedeutung guter Standortbedingungen aus. Genau hier liegen aber die größten Herausforderungen und Schwächen des Landes: zunächst beim Umfang der frühkindlichen Betreuung, bei der Qualität der schulischen Bildung und der verlässlichen Grundfinanzierung der Hochschulen. Auch wenn zuletzt etwas geschehen ist, liegt NRW meist unverändert hinter den westdeutschen Flächenländern zurück. Besonders ärgerlich ist der Zustand und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, hier kumulieren sich lange Vernachlässigung und Ignoranz zu einem veritablen Wachstumsrisiko.
Das sind klar zu adressierende Aufgaben, eigentlich mit hoher Konsensneigung. Doch in der Summe fügen sie sich erst zusammen, wenn mit klarer Linie und verlässlich solider Finanzpolitik ein Gesamtrahmen definiert wird. Die bisherigen Anstrengungen reichen nicht.
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