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(© Foto: Bernd Kroeger - Fotolia)
Michael Hüther in der Börsen-Zeitung Gastbeitrag 26. März 2013

Mythos Trennbankensystem

Es gibt Themen, da scheint vielen alles ganz klar zu sein, schreibt IW-Direktor MIchael Hüther in der Börsen-Zeitung. Das gilt so für die Notwendigkeit eines Trennbankensystems. Gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung regt sich im Parlament trotz des damit verbundenen Eingriffs in Privateigentum und Vertragsfreiheit kaum Widerstand. Woher rührt dieser umfassende Konsens?

Die Krise hat einerseits zu der Erwartung geführt, dass nun endlich alles getan werden müsse und könne, um künftig vergleichbare Verwerfungen zu verhindern und den Steuerzahler zu schützen. Andererseits verbindet sich damit die Hoffnung, dass dies mit einem recht einfachen Schritt - nämlich der Trennung von Einlagengeschäft und Investment Banking - erreicht werden könne.

Dafür spricht, dass alle drei Berichte, die für die USA, das Vereinigte Königreich und die Eurozone seit 2010 vorgelegt wurden (Volcker-, Vickers- und Liikanen-Report), sich in diesem Punkt weitgehend einig sind. Allenfalls für die Umsetzung werden unterschiedliche Pfade empfohlen; vom vollständigen Verbot jeglichen Eigenhandels für Banken (Volcker) über das Ringfencing zur Isolierung des Privatkundengeschäfts von globalen Risiken (Vickers) bis zur Ausgliederung unter anderem des Eigenhandels, aller Derivatepositionen, Market-Making-Aktivitäten, des Prime Brokerage und der Finanzierung von Hedgefonds in eine eigene rechtliche Einheit (Liikanen). So soll erreicht werden, dass Banken weniger vernetzt sind und deshalb im Krisenfall leichter restrukturiert werden können.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält sowohl richtige wie auch fragwürdige Elemente. Zielführend ist die Pflicht, dass Banken für die Sanierungsplanung Testamente erstellen müssen ("Living Will"). Damit wird es im Krisenfall sowohl für die Bank einfacher zu reagieren als auch für die Finanzaufsicht leichter, mit Abwicklungsentscheiden zu intervenieren. Das folgt internationalen Absprachen; bereits im Oktober 2011 hat der Financial Stability Board Standards für die geordnete Abwicklung von Finanzinstituten verabschiedet. Die Erfahrung der Lehman-Insolvenz führte gerade zu der Einsicht, dass das Fehlen eines solchen Testaments die systemrelevante Ratlosigkeit der Aufseher und Marktteilnehmer am Montag danach verursachte. Globale Großbanken einschließlich der Deutschen Bank haben bereits solche Testamente vorgelegt.

Fragwürdig ist jener Teil des Gesetzentwurfs, der mit Verweis auf und in Anlehnung an den Liikanen-Bericht die Abspaltung des Handelsgeschäfts und anderer Teile vom Einlagengeschäft unter bestimmten Voraussetzungen fordert. Diese Vorgabe ist weder gut begründet noch sachgerecht umsetzbar. Die Liikanen-Kommission hat in ihrem Bericht selbst betont, dass ihre Inspektion unterschiedlichster Geschäftsmodelle keinen eindeutigen Befund für oder gegen ein bestimmtes Modell erbracht hat.

Die im Gesetzentwurf für die Abtrennung der Handelsaktivitäten relevanten Schwellenwerte (mehr als 20 Prozent der gesamten Bilanzsumme oder mehr als 100 Mrd. Euro) sind willkürlich. Die Liikanen-Kommission hatte Impactstudien empfohlen, um für die Bestimmung solcher Werte nähere Anhaltspunkte zu bekommen. Doch auch die so ermittelbaren Werte sind nur der Befund für bestimmte Bedingungskonstellationen, die durch Produktinnovationen und Strategieanpassungen an Bedeutung verlieren oder irrelevant werden können.

Das Ziel, den Steuerzahler zu schützen, würde nur erreicht, wenn die Testamente nicht ausreichen und die in einer künftigen Krise relevanten systemischen Risiken tatsächlich im Handelsbereich auftreten. Die Testamente sind dafür das viel effektivere Instrument, weil sie aus der Innensicht der Bank entwickelt werden. Im Grunde ist das Gesetz mit Testament und Trennung überbestimmt. Zudem suggeriert die Trennung, dass es ein gutes und ein schlechtes Bankgeschäft gibt und dieses jeweils eindeutig zu identifizieren sei. Die Idee, ex ante zu wissen, was im Krisenfall abzutrennen ist, kommt einer Anmaßung von Wissen gleich.

So hat ja gerade die Krise unserer Zeit deutlich gemacht, dass es so einfach nicht ist, die besonders risikobehafteten Geschäfte vorab zu bestimmen. Denn seit 2007 haben wir es vor allem mit einer Krise des Kredit- respektive des Kreditersatzgeschäfts zu tun. Besonders der Zustand des spanischen Bankensystems erinnert uns daran, dass auch aus vielen kleinen Hypotheken und Baufinanzierungen ein systemisches Risiko erwachsen kann.

Grundsätzlich ist der Glaube naiv, dass der Steuerzahler definitiv geschützt werden kann. Denn in einer systemischen Krise werden ja gerade ex ante nicht sichtbare Risikovernetzungen relevant. Um die Infrastruktur des Finanzsystems zu sichern, wird man die Haftung des Steuerzahlers deshalb nur so weit wie möglich einhegen, aber nie gänzlich ausschließen können.

Deshalb ist es so wichtig, für den Fall der Fälle eine handlungsstarke und deshalb unabhängige Finanzaufsicht zu haben. Ein Vorbild kann dahingehend das Bundeskartellamt sein. Alle Regulierungen des Finanzsystems - insbesondere Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen, Begrenzung der Verschuldung (Leverage Ratio), Selbstbehalte bei Verbriefungen, Ratingagenturen - werden Fehlentwicklungen nur eindämmen können. Deshalb kommt es auf eine Finanzaufsicht an, die ihre diskretionären Spielräume, die es übrigens schon nach Basel II für zusätzliche Eigenkapitalanforderungen gab, auch bewusst nutzt. Da besteht noch viel Potenzial.

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