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Michael Grömling in der Fuldaer Zeitung Gastbeitrag 17. Oktober 2022

Unheilvolle Kombination

IW-Konjunkturexperte Michael Grömling sieht die Energieversorgung für deutsche Unternehmen im Winter nicht gesichert. Störungen bei kritischen Infrastrukturen könnten die Notlagen noch verschärfen, schreibt er in einem Gastbeitrag für die Fuldaer Zeitung

Aus der unheilvollen Kombination des Krieges in der Ukraine und der anhaltenden Pandemie haben sich die Perspektiven für die deutsche Wirtschaft erheblich verschlechtert. Noch immer leiden globale Produktionsnetzwerke unter Coronabedingten Verspannungen. Dazu kommt, dass die Energieversorgung im kommenden Winterhalbjahr für die Unternehmen nicht gesichert ist. Störungen bei kritischen Infrastrukturen können Notlagen verschärfen. All das betrifft nicht nur die einzelnen Unternehmen, sondern komplexe Zuliefergeflechte. Darüber hinaus sorgen die vor allem kriegsbedingten Versorgungsprobleme mit Energie und Rohstoffen für bislang ungekannte Kostenschocks. Bei den Erzeugerpreisen werden mit fast 50 Prozent die höchsten Anstiege seit über 70 Jahren verzeichnet. Das sorgt in den Unternehmen für Verunsicherungen und gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit. 

Die explodierenden Energiepreise sowie die hohen Produktionskosten der Unternehmen belasten auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. So zehren die hohen Inflationsraten von derzeit zehn Prozent an der Kaufkraft der privaten Haushalte. Vor allem explodierende Energiekosten setzen vielen Menschen stark zu. Der bislang noch einigermaßen stabile Konsum speist sich teilweise aus den Sparpolstern, die während der Corona- Pandemie aufgebaut wurden, sowie aus den staatlichen Hilfsmaßnahmen. Trotzdem wird der Konsum im kommenden Jahr deutlich nachgeben – und das trifft konsumnahe Dienstleister. 

In der Bauwirtschaft schlagen sich erhebliche Produktionsprobleme aufgrund fehlender Mitarbeiter und Materialknappheit nieder. Dazu kommen immense Preissteigerungen bei Energie und Material. Diese Kostenschocks hemmen auch die Baunachfrage, die zudem unter den ansteigenden Finanzierungskosten leidet. Der seit 2016 anhaltende Bauboom wird in diesem und im kommenden Jahr erst einmal unterbrochen. Das trifft den Wohnungsbau, Gewerbebau sowie die Bauinvestitionen des Staates – trotz der immensen Notwendigkeiten moderner und verlässlicher Infrastrukturen. 

Investitionen in Maschinen, Geschäftsausstattungen und Fahrzeuge kommen nur wenig von der Stelle. Damit wird die infolge der Pandemie entstandene Investitionslücke vorerst nicht geschlossen. Die Verunsicherungen infolge der geopolitischen Lage und ihrer Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, aber auch die in den Unternehmen eingeschränkten Produktionsprozesse sowie die Lieferproblematik bei Investitionsgütern erklären die dann über vier Jahre anhaltende Investitionsschwäche in Deutschland. Das deckelt unsere Produktionsmöglichkeiten über Jahre hinaus.

Bei andauernden Belastungen in der Energie- und Materialversorgung drohen langfristige Folgewirkungen für den Produktionsstandort Deutschland und den damit verbundenen Wohlstand. Ausfälle in einzelnen Wirtschaftsbereichen führen über die vielfältigen Vernetzungen zu Abwärtsspiralen, die sich nicht schnell und einfach zurückbilden. Das konnte bereits in der Pandemie gelernt werden. Die gesamte Energieversorgung und Stabilisierung unserer Produktionsnetzwerke sind deshalb kurzfristig eine überragende Aufgabe.

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