Die aktuelle Rezession in der Industrie wird noch eine ganze Weile andauern, schreibt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling in einem Gastbeitrag für die VDI-Nachrichten. Nicht nur die deutsche Industrie bekommt die Lasten des Protektionismus zu spüren. Die Daten der IW-Konjunkturampel vom Oktober zeigen für den gesamten Euroraum ein mittlerweile tiefrotes Bild.
IW-Konjunkturampel: Lange Belastungsprobe
Dass Protektionismus ein Negativsummenspiel ist, bei dem alle verlieren, merken ebenfalls die USA. Jedenfalls tritt auch dort das Verarbeitende Gewerbe auf der Stelle. Den offiziellen Zahlen nach gilt dies auch für China.
Die jüngsten Handelsgespräche zwischen den USA und China haben die Anspannungen zumindest nicht weiter verstärkt. Eindeutige Signale für ein besseres Miteinander gehen davon aber erst einmal nicht aus. Von einer breiten geopolitischen Entspannung sind wir ebenfalls weit entfernt. Damit bleiben auch die vielfältigen politischen Risiken für Investoren rund um den Globus bestehen. Die Konjunkturperspektiven für die großen Wirtschaftsräume werden dementsprechend weiter gestutzt.
Beim Welthandel und der globalen Investitionstätigkeit zeigen sich unverkennbare Bremsspuren. Diese treffen die deutsche Industrie mitvoller Kraft. Sichtbar wird dies Monat für Monat mit der IW-Konjunkturampel, wo die für die Industrie relevanten Felder seit geraumer Zeit kein Grün mehr gesehen haben. Auch an der Kapazitätsauslastung der Industrie werden die konjunkturellen Beeinträchtigungen sichtbar: Vom dritten Quartal 2018 bis zum dritten Quartal 2019 ging der Nutzungsgrad von 88 % auf 84 % zurück. Das ist im langfristigen Vergleich zwar immer noch ein guter Wert, der jedoch im laufenden Quartal aller Voraussicht nach weiter unterboten wird. Dafür sprechen schon die Meldungen über geplante Kurzarbeit – vor allem im Automotive-Sektor. Die Kapazitätsanpassungen treffen aber nicht nur die Fahrzeugindustrie, sondern sie sind in der Breite der Industrie angekommen.
Den in die IW-Konjunkturampel einfließenden Daten zufolge befindet sich die deutsche Industrie bislang in einer vergleichbaren Lage wie zu Zeiten der europäischen Staatsschuldenkrise, die ab dem Jahr 2011 der Investitionstätigkeit in Europa stark zusetzte. Beim Tiefpunkt im ersten Quartal 2013 lag die reale Wertschöpfung der deutschen Industrie um 4,4 % unter dem Vorjahresniveau. Eine anhaltende Erholung setzte damals nach sechs Quartalen ein.
„Die deutsche Industrie befindet sich in einer vergleichbaren Lage wie zu Zeiten der europäischen Staatsschuldenkrise.“
Nimmt man Anfang 2018 als Ausgangspunkt für die aktuelle Industrierezession, dann wurde die Euroraumkrise hinsichtlich Dauer und Stärke mittlerweile übertroffen. Auch die tiefe Industriekrise von 2009 wurde in zeitlicher Hinsicht bereits getoppt. Freilich sind wir von den gewaltigen Ausmaßen der damaligen globalen Finanzmarktkrise weit entfernt: Im zweiten Quartal 2009 lag die reale Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes um knapp 25 % unter dem vormaligen Höchstwert vom vierten Quartal 2007. Die Erholung setzte aber schnell und dann auch mit ordentlichem Tempo ein, sodass im zweiten Quartal 2011 die Krise wieder ausgebügelt war.
Dagegen findet derzeit ein fortwährender Rückgang statt, dessen baldiges Ende nicht abzusehen ist. Damit dürfte die aktuelle Industrierezession eine länger anhaltende Belastungsprobe bleiben.
Befragung: Unternehmen besorgt über neue Trump-Regierung
Die deutsche Wirtschaft geht davon aus, dass der Welthandel und ihre eigenen Geschäfte durch die zweite Amtszeit von Donald Trump negativ beeinflusst werden. Das zeigt eine neue Unternehmensbefragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Insbesondere ...
IW
Eine Agenda für die neue Legislaturperiode: Wettbewerbsfähigkeit und Transformation
Das deutsche Geschäftsmodell, geprägt durch eine industriebasierte, dienstleistungsergänzte, exportorientierte und regional balancierte Struktur, steht unter erheblichem Druck. Seit 2018 schrumpft die Industrieproduktion, während die Bruttowertschöpfung zwar ...
IW