Der private Konsum stützt die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und der EU. Die politischen Unsicherheiten im Welthandel bekommen dagegen die Industrieunternehmen zu spüren, schreibt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling in einem Gastbeitrag für die VDI-Nachrichten.
IW-Konjunkturampel: Die Arbeitsmärkte zeigen sich robust
Die Konjunkturaussichten haben sich in den vergangenen Wochen weiter eingetrübt. Noch dominieren nicht die roten Signale. Es wird jedoch deutlich, dass in den betrachteten Ländern der Konjunktur mehr und mehr die Luft ausgeht. Deutschland bewegt sich schon am Rande einer Rezession.
Die Industrieproduktion und der Einkaufsmanagerindex sind mehr oder weniger seit mehr als einem Jahr rückläufig. Noch bilden eine Reihe von Dienstleistern – insbesondere im öffentlichen Sektor und in den Konsumbranchen, vor allem aber die Bauwirtschaft – ein starkes Gegengewicht.
Zudem zeigen sich auch die Industrieaufträge aus dem Inland bislang stabil. Dabei gilt freilich auch zu beachten, dass sich hier in den letzten Jahren nur ein moderater Auftrieb gezeigt hatte. Entsprechend hält sich das konjunkturelle Korrekturpotenzial in Grenzen.
Die Bestellungen bei den deutschen Industrieunternehmen von Kunden aus dem Euroraum sind bislang ebenfalls nicht rückläufig. Der Euroraum ist für die deutsche Wirtschaft und vor allem die international stark engagierte deutsche Industrie nach wie vor der größte Absatzmarkt. Gut 37 % der deutschen Warenausfuhren gingen im vergangenen Jahr in die 18 anderen Länder des Euroraums. Die gesamte Europäische Union nahm sogar 59 % unserer exportierten Waren auf.
„Deutschland bewegt sich schon am Rande einer Rezession.“
Die weltweit nachlassende Investitionsneigung – eine Folge des Protektionismus – trifft aber nicht nur die deutschen Investitionsgüterhersteller, sondern auch jene in den anderen großen Volkswirtschaften des Euroraums, wie etwa in Italien und Frankreich. Entsprechend bescheiden sind derzeit die Perspektiven für die europäische Industrie. Auch die Unsicherheiten hinsichtlich des Brexits – wenn er denn kommt – belasten die europäischen Industrieunternehmen. Eventuell hellt sich die Stimmung wieder etwas auf, wenn sich die politischen Risiken zurückbilden. Die Spannungen zwischen den USA auf der einen Seite und China und Europa auf der anderen Seite haben jedenfalls nicht weiter zugenommen.
Auch die robusten Arbeitsmärkte in Europa wirken positiv auf die Konjunktur. Die Erwerbslosigkeit ist anhaltend auf dem Rückzug. Die Arbeitslosenquote im Euroraum belief sich zuletzt auf 7,8 %. Im Jahr 2013 waren es mehr als 12 %. Die international vergleichbare Arbeitslosenquote lag in Deutschland zum Jahresanfang bei nur noch 3,3 %. Auch die Beschäftigung legte im Euroraum weiter zu – hierzulande stagnierte sie auf hohem Niveau. Im Gefolge dieser robusten Arbeitsmarktlage hat der private Konsum bislang in Deutschland und auch im Euroraum merkliche positive Impulse gesetzt. Wegen des hohen Gewichts des Konsums wurde die Binnennachfrage zu einer wichtigen Konjunkturstütze.
Beim Blick in die Zukunft werden aber auch die privaten Haushalte vorsichtiger. Das Konsumentenvertrauen hat sich jüngst im Euroraum merklich eingetrübt. Auch hierzulande nimmt die Kauflaune ab. Für die nahe Zukunft wird entscheidend sein, wie standfest die Arbeitsmärkte angesichts der Wachstumsdelle bleiben. Den Unternehmen muss hierzu größtmöglicher Flexibilisierungsraum gegeben werden. Die Krise 2009 liefert eine wirkungsvolle Blaupause.
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