IW-Konjunkturexperte Michael Grömling schließt in einem Gastbeitrag für die Fuldaer Zeitung angesichts der Konsum- und Investitionsausfälle in China eine deutliche Abschwächung der Weltkonjunktur infolge der Corona-Epidemie nicht aus.

Corona mutiert zum Angebotsschock
Die Corona-Epidemie hat Deutschland erreicht. Wie umfassend die Menschen hierzulande betroffen sein werden, ist offen. Neben dem menschlichen Leid zeichnen sich auch ökonomische Folgen ab. Über deren Ausmaß und Dauer kann derzeit ebenfalls nur spekuliert werden. Corona wird aber zu einem Nachfrage- und Angebotsproblem für die deutsche Wirtschaft.
China ist ein wichtiger globaler Importeur. Sein Anteil an den weltweiten Importen beläuft sich auf rund zehn Prozent. Für die deutsche Wirtschaft ist China der drittgrößte Kunde hinter den USA und Frankreich. Gut sieben Prozent der deutschen Warenausfuhren gehen ins Reich der Mitte. Die vorübergehenden Konsum- und Investitionsausfälle in China infolge der Corona-Epidemie treffen die deutschen Exporteure zudem in einer sowieso schon schwachen globalen Nachfragephase – infolge der Handelskonflikte und der vielen geopolitischen Verwerfungen. Nicht nur das rückläufige Chinageschäft, auch eine möglicherweise deutliche Abschwächung der Weltkonjunktur infolge von Covid-19 führen zu Nachfrageausfällen.
Die Corona-Epidemie kann auch die Angebotsseite unserer Volkswirtschaft schwächen. Das geschieht über fehlende Mitarbeiter, die wegen tatsächlicher Infektion, eingeschränkter Mobilität oder aus Furcht ihrer Arbeit nicht nachkommen. Hochgradig arbeitsteilige Volkswirtschaften sind auf ein reibungsloses Miteinander angewiesen, und das wird durch eine Epidemie bedroht. Zudem hat sich die chinesische Wirtschaft stark in die internationale Arbeitsteilung eingeklinkt. Sie selbst kauft Vorleistungen in Südostasien oder den Rohstoffländern im Nahen Osten, in Afrika und in Südamerika. Auch aus den westlichen Industrieländern bezieht China wichtige Komponenten für seine Inlandsproduktion.
Umgekehrt sind chinesische und ausländische Firmen mit Sitz in China wichtige Zulieferer für die Produktion in Deutschland. Stocken diese wechselseitigen Zulieferungen, dann droht Gefahr, dass es hierzulande zu Produktionsbeeinträchtigungen kommt. Diese Vorleistungseffekte können sich kumulieren, wenn chinesische Bauteile auch für andere ausländische Vorleistungen von Bedeutung sind.
Vorleistungsverflechtungen im Rahmen internationaler Wertschöpfungsketten, wechselseitiger Technologietransfer oder Wissensaustausch über Mitarbeiter haben in den letzten Dekaden auch die Produktionsmöglichkeiten und den Wohlstand in Deutschland vergrößert. Eine Epidemie sollte für sich genommen keinen Rückschritt bei der länderübergreifenden Arbeitsteilung auslösen. Vielmehr sind die Wertschöpfungsketten auf ihre Tragfähigkeit und Anfälligkeit zu überprüfen. Forderungen nach einer internationalen Neuausrichtung der Produktionspotenziale infolge von Epidemien müssen jedoch in das gegenwärtige politische Klima eingeordnet werden. Dieses ist vielfach geprägt von protektionistischem und autarkischem Denken.
Nicht die Vernetzung von Ländern und die damit einhergehenden Wohlstands- und Kooperationsvorteile, sondern die Entkopplung von Volkswirtschaften und das Suchen nach wirtschaftlicher und politischer Unabhängigkeit steht heute stärker im Vordergrund. Es besteht die Gefahr, dass zeitlich überschaubare ökonomische Krisen als Vorwand für eine politisch motivierte Auflösung von internationaler Kooperation instrumentalisiert werden.

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