Die Kassen des Staates sind dank guter Konjunktur und niedriger Zinsen voll. Doch statt zu sparen oder die Steuern zu senken, steigen die Ausgaben. Welche Bereiche besonders profitieren. Ein Gastbeitrag der IW-Steuerökonomen Tobias Hentze und Martin Beznoska auf Focus Online.
Milliarden-Plus beim Bund: Hierfür gab die Regierung die Extra-Milliarden aus
Das ökonomische Umfeld, in dem sich die Finanzpolitik der Bundesregierung in den vergangenen Jahren bewegte, war von äußerst günstigen Rahmenbedingungen geprägt. Zwei parallele Entwicklungen sorgten im Bundeshaushalt für volle Kassen:
- Durch die fallenden Zinsen an den Kapitalmärkten fielen die tatsächlichen Zinsausgaben für die Schulden des Bundes deutlich geringer aus als geplant.
- Zudem steigen die Steuereinnahmen aufgrund der guten Konjunktur stärker als von der Bundesregierung erwartet.
In den Jahren 2013 bis 2018 summierten sich die daraus zusätzlich verfügbaren Mittel auf rund 82 Milliarden Euro, wovon zwei Drittel den geringer ausgefallenen Zinsausgaben und ein Drittel den höheren Steuereinnahmen zuzurechnen sind. Hinzu kommen in diesem Zeitraum höhere sonstige Einnahmen, wie zum Beispiel Gebühren, von insgesamt neun Milliarden Euro. Zusammengenommen liegt das Plus also bei 91 Milliarden Euro.
Neue Ausgaben und eine Rücklage
Zum einen nutzte die Bundesregierung den zusätzlichen Spielraum für neue laufende Ausgaben, zum anderen baute sie eine Rücklage auf. Im Zeitraum von 2013 bis 2018 fielen die Ausgaben (ohne Zinsen) um insgesamt 67 Milliarden Euro höher aus als es die Finanzplanung vorsah. Die vollen Kassen weckten vor allem Begehrlichkeiten im aktuellen Koalitionsvertrag. So entfallen allein 23 Milliarden Euro der Mehrausgaben auf das Jahr 2018.
Die aufgebaute Rücklage beläuft sich auf mittlerweile 24 Milliarden Euro. Allerdings soll diese nicht ihrer eigentlichen Funktion als Risikopuffer gerecht werden, um zum Beispiel die drohenden Mehrkosten des demografischen Wandels in der Zukunft abzudämpfen. Vielmehr will die Bundesregierung damit Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ab 2019 finanzieren. Damit handelt es sich letztlich auch um eine weitere laufende Ausgabensteigerung. Auf alternative Verwendungsmöglichkeiten dieses unverhofften Haushaltsspielraums – Steuerentlastung oder Schuldentilgung – verzichtet die Bundesregierung fast vollständig. Die Steuerquote des Bundes ist jüngst sogar gestiegen. Die Steuerquote bemisst den Anteil der Steuereinnahmen am Bruttoinlandsprodukt. Eine über die Zeit konstante Steuerquote bedeutet, dass Steuereinnahmen und Wirtschaftskraft mit der gleichen Rate wachsen.
Kaum mehr Geld für Forschung und Bildung
Mit Blick auf die einzelnen Aufgabenbereiche des Bundes zeigt sich, dass vor allem die Ausgaben für Verteidigung, Arbeitsmarkt, Verkehrsinfrastruktur und – in jüngerer Vergangenheit zunehmend – innere Sicherheit und Entwicklungshilfe durch den zusätzlichen Haushaltsspielraum erhöht wurden. Für Forschung und Bildung wurden die zusätzlichen Ausgaben dagegen kaum verwendet. Unterteilt man die Mehrausgaben alternativ nach Ausgabenarten, so floss deutlich mehr Geld in Personalaufwand als in Sachinvestitionen. Im Vergleich zu 2013 ist im Haushalt 2018 für das Ressort Arbeit und Soziales ein größerer Anteil vorgesehen, während der Prozentsatz für Verkehr und digitale Infrastruktur sinkt.
Keine solide Haushaltspolitik
Mit einer Politik des Geldausgebens nutzt die Bundesregierung die außerordentlich günstigen Rahmenbedingungen nicht im Sinne einer langfristig soliden Haushaltspolitik. Ein Ende des Aufschwungs oder eine Normalisierung des Zinsniveaus würden den Bundeshaushalt schnell wieder in die roten Zahlen führen.
Da die zusätzlichen Ausgaben überwiegend nicht in Zukunftsinvestitionen fließen, wird eine Wachstumsrendite eher gering ausfallen. Eine Rückzahlung von Schulden oder eine gezielte Entlastung von Bürgern und Unternehmen bleibt auf der Strecke. Dabei wäre ein ausgewogener Mix aus Schuldentilgung, Steuerentlastung und einem wachstumsfördernden Ausgabenplus die bessere Verwendung des zusätzlichen Spielraums.
Zum Gastbeitrag auf focus.de
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