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(© Foto: Anadolu Agency/GettyImages)
Markus Demary / Jürgen Matthes auf n-tv.de Gastbeitrag 4. Dezember 2017

Faule Kredite: Die Bankenaufsicht braucht Zähne

In der Eurozone sind Kredite über insgesamt rund 800 Milliarden Euro vom Ausfall bedroht. Die EZB will deshalb handeln - doch aus der Politik kommt Widerstand. Das ist bedauerlich, schreiben Markus Demary und Jürgen Matthes in einem Gastbeitrag auf n-tv.de.

Die Europäische Zentralbank macht endlich Druck auf die Banken. Ab dem kommenden Jahr will sie erreichen, dass Finanzinstitute für neu auftretende notleidende Kredite mehr Risikovorsorge als bisher betreiben. Unter anderem sollen unbesicherte Kredite, die ab 2018 neu als notleidend eingestuft werden, innerhalb von zwei Jahren vollständig mit Rückstellungen abgedeckt sein.

Die schärferen Anforderungen zur Risikovorsorge sind eine vorausschauende und kluge Maßnahme der EZB. Denn nach wie vor leiden die Banken des Euroraums unter einem hohen Bestand an notleidenden Krediten. Das gilt besonders für ehemalige Krisenländer wie Italien. Dort werden die Finanzinstitute quasi zu Zombies, weil ihre Gelder in faulen Krediten gebunden sind. Dadurch können sie kaum neue Investitionen finanzieren. Da die faulen Kredite gleichzeitig kaum Einnahmen bringen und die Banken es schwer haben, das ausstehende Geld wieder einzutreiben, bestehen Gefahren für die Stabilität des Bankensystems. Die schleppende Kreditvergabe führt zudem in den betroffenen Ländern zu einer höheren Arbeitslosigkeit, da fehlende Investitionen auch die Aufstockung des Personals in Unternehmen begrenzen.

Dieses Problem ist schon lange bekannt und bislang viel zu unentschlossen angegangen worden. Zwar ist der Anteil der faulen Kredite an den ausstehenden Krediten im Euroraum von 8,1 Prozent auf 4,4 Prozent gefallen. In Griechenland liegt der Anteil allerdings weiterhin bei 36 Prozent, in Italien bei 17 Prozent. Das Volumen der notleidenden Kredite ist immer noch beträchtlich: Im Euroraum sind Kredite über insgesamt rund 800 Milliarden Euro vom Ausfall bedroht.

Die EZB, die 2014 zur einheitlichen Bankenaufseherin im Euroraum wurde, zeigte sich lange viel zu zögerlich. Das hat sich nun geändert. Über die Leitlinien der EZB ist jedoch Streit mit der Politik ausgebrochen. Das Europäische Parlament hat sich gegen dieses Eingreifen der EZB in die Risikovorsorge der Banken ausgesprochen. Auch der juristische Dienst des Rates wirft der Zentralbank vor, ihre Kompetenzen zu überschreiten. Die EZB hält dem entgegen, dass sie lediglich ihrem Auftrag als Bankenaufsicht nachkomme - bei den Leitlinien handele es sich um Handlungsempfehlungen der Aufsicht an spezifische Institute.

Jenseits der unklaren rechtlichen Lage ist die ökonomische Perspektive jedoch eindeutig: Das Vorgehen der EZB ist unverzichtbar für die Sicherung eines stabilen Bankensystems. Wenn rechtliche Zweifel am Vorgehen der EZB bestehen, muss der Rechtsrahmen der Bankenaufsicht so reformiert werden, dass sie ihre Aufgabe wirksam erfüllen kann. Sonst mutiert sie zu einem zahnlosen Tiger.

Wenn die Politik Ernst macht und die EZB in ihrem Vorhaben, gegen notleidende Kredite vorzugehen, behindert, droht ein Präzedenzfall mit Langzeitwirkung. Die EZB würde in ihrer neuen Funktion als oberste Bankenaufseherin dauerhaft beschädigt. In diesem Fall wäre die Gefahr groß, dass im Bankensystem die alten Fehler wiederholt werden. Denn in der Vergangenheit ist es oft auch deshalb zu Finanz- und Immobilienkrisen gekommen, weil die nationalen Finanzaufsichten nicht unabhängig genug von politischem Einfluss waren. Wenn sie einschreiten wollten, wurden sie von der Politik allzu oft zurückgepfiffen.

Mit der einheitlichen Bankenaufsicht in den Händen der sachorientierten und kompetenten EZB ist eine entscheidende Reform für mehr Finanzstabilität ergriffen worden. Dieser Meilenstein darf jetzt nicht aus kurzfristiger politischer Kurzsichtigkeit wieder aus dem Weg geräumt werden. Der Euroraum braucht eine starke Finanzaufsicht.

Zum Gastbeitrag auf n-tv.de

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