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(© Foto: kontrast-fotodesign/iStock)
Daniel Bendel und Markus Demary auf Focus Online Gastbeitrag 28. September 2017

Hebt die EZB die Zinsen an, bekommen 800.000 Unternehmen Probleme

Mit ihren niedrigen Zinsen hat die EZB vielen Unternehmen geholfen, die Krise zu überwinden - aber nicht allen. Würden die Zinsen steigen, hätten vor allem Firmen aus Italien, Griechenland und Frankreich ein Problem, schreiben die IW-Ökonomen Daniel Bendel und Markus Demary in einem Gastbeitrag auf Focus Online.

Viele Unternehmen haben die gesunkenen Finanzierungskosten der vergangenen Jahre dazu genutzt, um ihre Schulden abzubauen. Als die EZB die Zinsen gesenkt hat, ist also auch der Anteil der Unternehmen mit finanziellen Engpässen gesunken.

Doch nicht allen Unternehmen ist es gelungen, ihre finanzielle Situation zu verbessern. Steigen die Zinsen, könnten rund 800.000 Unternehmen im Euroraum in Schieflage geraten, wie eine IW-Studie zeigt.

In Italien sind weiterhin über 8 Prozent der Unternehmen in einer schwierigen finanziellen Lage, in Griechenland sogar über 9 Prozent. Aber auch in Frankreich und Spanien sind es immerhin über 5 Prozent der Unternehmen. Für sie werden höhere Zinsen zur akuten Gefahr. Für deutsche Unternehmen wären höhere Zinsen hingegen kein Problem, nur ein Prozent der Firmen könnte in Schwierigkeiten geraten. Auch in den ehemaligen Krisenländern Irland und Portugal ist die Situation entspannt. Hier ist der Anteil der Unternehmen in einer schwierigen finanziellen Lage geringer als beispielsweise in Belgien.

Arbeitslosenquote könnte steigen

Für eine Einschätzung über die wirtschaftlichen Probleme, die eine Zinserhöhung für die Euro Mitgliedsländer bringen kann, muss auch die Größe des Unternehmenssektors Beachtung finden. So haben die Länder Frankreich, Italien und Spanien viele Unternehmen. Insgesamt könnten in Frankreich somit über 180.000 Unternehmen und in Spanien mehr als 120.000 Unternehmen bei einer Zinserhöhung in Schieflage geraten. Spitzenreiter ist Italien mit über 300.000 betroffenen Unternehmen. Sollten diese Firmen in finanzielle Probleme bekommen, so würden die ohnehin schon hohen Arbeitslosenquoten in diesen Ländern stark ansteigen.

Eine Zinswende zur falschen Zeit könnte zudem eine neue Bankenkrise hervorrufen. Denn ausgerechnet in den Ländern, wo viele Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten sind, ist auch der Anteil der notleidenden Kredite besonders hoch. Dies sind Kredite, bei denen damit gerechnet werden muss, dass sie nicht zurückgezahlt werden. In Italien liegt dieser Anteil bei 15 Prozent. Hier gelten Kredite im Wert von 276 Mrd. Euro als notleidend. In der gesamten EU summiert sich der Wert dieser Kredite auf rund eine Billion Euro. Würde ein Großteil dieser Kredite durch eine vorschnelle Zinswende tatsächlich ausfallen, so wäre mit einer neuen Bankenkrise zu rechnen, vor allem in Italien.

EZB muss behutsam ihre Geldpolitik ändern

Damit nicht tausende Arbeitsplätze gefährdet werden, muss die EZB bei ihrem Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik sehr behutsam vorgehen. Sie muss nicht nur einen guten Zeitpunkt wählen, um die Leitzinsen anzuheben, sondern auch verhindern, dass die Marktzinsen überschießen, wie es schon aus dem Höhepunkt der europäischen Staatsschuldenkrise im Jahr 2012 der Fall war. Denn die Zinsen auf Staatsanleihen gelten als Orientierung für alle anderen Marktzinsen, und somit auch für die Zinsen, die Unternehmen auf ihre Kredite zahlen. Die EZB sah sich damals gezwungen, den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen der Krisenländer zu versprechen, um die Märkte zu beruhigen. Für EZB-Chef Mario Draghi wird es diesmal wichtig sein, Unruhe auf den Märkten zu verhindern. Denn die Marktteilnehmer erwarten eine Rückführung der expansiven geldpolitischen Maßnahmen.

Damit die EZB aus ihrer extremen Geldpolitik aussteigen kann, ist es wichtig, sicherzustellen dass die Unternehmen und die Staaten höhere Zinsen verkraften können. Neben einer Konsolidierung der Staatsschulden und der Unternehmensschulden benötigt die EU eine Strategie für den Umgang mit den hohen Beständen an notleidenden Krediten in den Bankbilanzen. Sollte es hier bei einer vorschnellen Zinswende zu Verwerfungen kommen, so müsste die EZB die Zinsen direkt wieder senken. Eine dauerhafte Niedrigzinspolitik wäre wohl die Folge.

Zum Gastbeitrag auf focus.de

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