Eine freie Presse gehört zum Tafelsilber der Demokratie. Angesichts der andauernden Medien-Krise ist es daher notwendig, über einen nichtkommerziellen und philanthropisch finanzierten Journalismus nachzudenken, um die Meinungsvielfalt in gedruckter Form zu erhalten.
Zeitungen als Gemeinwohlaufgabe
Théophraste Renaudot, der Herausgeber der ersten französischen Zeitung «La Gazette», gilt nicht nur als einer der Begründer des modernen Journalismus. Er war auch ein bedeutender Philanthrop. Obwohl er vor über 350 Jahren starb, sind seine philanthropischen Ideen hochaktuell. Denn auch wenn die Zeiten, als Sparrunden, Entlassungen und die Einstellung ganzer Zeitungen an der Tagesordnung waren, vorerst vorbei zu sein scheinen, ist die Medien-Krise nicht ausgestanden. Schliesslich war nur ein Teil ihrer Probleme Resultat der Wirtschaftskrise, der andere ist und bleibt strukturell. Die philanthropische Förderung von hochwertigem Journalismus, wie sie in den USA seit längerem praktiziert wird, könnte daher auch hierzulande zu einem Modell der Zukunft werden.
Das Jahr 2010 markierte in den von der Rezession gebeutelten USA eine medienökonomische Zäsur. Im aktuellen «State of the News Media Report», einer jährlich durchgeführten Umfrage zur Lage des Journalismus, schlug das Internet erstmals die Zeitungen als wichtigste Nachrichtenquelle der Amerikaner. Zudem floss, ebenfalls eine Premiere, mehr Geld in Online-Werbung als in Zeitungsanzeigen. Problematisch ist, dass diese Mittel überwiegend bei Internet-Aggregatoren wie Google landen und nicht mehr der Finanzierung des journalistischen Angebots zugutekommen. Bei allen Unterschieden der Medienmärkte manifestiert sich in dieser Entwicklung auch die Herausforderung, der sich der Journalismus hierzulande stellen muss. Vor allem dem Print-Journalismus bricht das Geschäftsmodell weg. Zwar erreichen einige Zeitungen, ihre Online-Ausgaben eingerechnet, mehr Leser als je zuvor. Die Verluste im Einzelverkauf und im Anzeigengeschäft konnten aber nicht durch zusätzliche Einnahmen im Netz ausgeglichen werden. Dass der Mantelteil der seit langem schwächelnden «Frankfurter Rundschau» künftig in der Redaktion der zum gleichen Verlagshaus gehörenden «Berliner Zeitung» entstehen soll, zeigt, wie ernst die Lage ist. Die für die publizistische Versorgung besonders wichtigen Regionalzeitungen, in ihren Verbreitungsgebieten häufig Monopolisten, sehen sich massiven Sparvorgaben ihrer Verleger ausgesetzt. Der Qualität tut das nicht gut, für solide Recherche und investigativen Journalismus bleibt immer weniger Geld.
Insbesondere in den USA sind in den vergangenen Jahren Initiativen entstanden, die versuchen, dem Marktversagen etwas entgegenzusetzen. Die mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Recherche-Plattform «Pro Publica» und nicht zuletzt Wikileaks haben auch bei uns – den milliardenschweren öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten zum Trotz – die Debatte über nichtkommerziellen, philanthropisch finanzierten Journalismus in Gang gebracht. Vollkommen neu sind solche Konstruktionen nicht: Schon lange steckt hinter der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» ein kluger, aber wenig transparenter Stiftungskopf, wird die linksalternative «taz» stilecht von Genossen getragen, auf lokaler Ebene sind Blogs entstanden, die das lokaljournalistische Angebot in ihren Regionen bereichern. Bekannt sind diese Modelle kaum – was bedauerlich ist, geht es doch um die kommunikative Infrastruktur unseres freiheitlichen Gemeinwesens.
Um eine freie Presse, das Tafelsilber der Demokratie, zu fördern, sind mehrere Möglichkeiten denkbar. Die günstigste Variante sind die schon erwähnten Blogs, die spendenfinanziert die lokale Berichterstattung beleben, indem sie sich stärker Hintergründigem widmen, was die Lokalpresse häufig nicht mehr tut. Die ebenfalls schon genannte amerikanische «Pro Publica» ist wie «spot.us» ein allerdings millionenschweres Beispiel, wie sich philanthropisch geförderter Journalismus der Themen annimmt, die von den kommerziellen Medien aufgrund des hohen Recherche-Aufwands oder zu erwartender Prozesskosten links liegengelassen werden.
Solche Projekte können zudem als Innovationstreiber fungieren und neue, unter Umständen teure Arbeitsweisen wie Daten-Journalismus, die Sammlung, Analyse und Veröffentlichung komplexer Daten, fördern. Ein anderer Weg tut sich auf, wenn etablierten Medien privates Kapital jenseits manch verlegerischer Renditeerwartung in zweistelliger Höhe zur Verfügung gestellt wird. Schliesslich, zugegebenermassen das teuerste Modell, könnte ein Verlagshaus mittels einer Stiftung von jedem wirtschaftlichen Zwang befreit werden. Ohne Zweifel werfen solche Ideen viele, im Detail überaus komplizierte Fragen auf. Trotzdem: Meinungsvielfalt auch in gedruckter Form zu erhalten, zählt zu den genuinen Aufgaben des Gemeinwohls.
Für potenzielle Philanthropen gibt es neben diesem Aspekt ein weiteres Argument, Kapital dafür aufzubringen. Gerade weil stärker als bei jedem anderen Engagement die Beweggründe zumindest grosser Spenden hinterfragt werden würden, bekommen Mäzene hier die Chance, einmal exemplarisch die «reine Lehre» vorzuleben. Ein Mäzen müsste sich jedes Einflusses auf die redaktionelle Arbeit enthalten; er darf – ausser dem guten Gefühl einer sinnstiftenden Investition und der daraus erwachsenden Anerkennung – keinerlei wirtschaftliche Eigeninteressen mit seiner Gabe verbinden. Einige bekannte Beispiele im Stiftungssektor zeigen leider, dass dies keineswegs selbstverständlich ist. Im medialen Kontext wird noch genauer hingeschaut werden – allerdings würden in der Folge Ruhm und Ehre umso grösser sein, je unabhängiger das Medium ist. Der eingangs genannte Monsieur Renaudot, eigentlich von Beruf Arzt, wurde übrigens nicht wegen der von ihm gegründeten Zeitung als Philanthrop gerühmt, sondern ob seines Engagements für die Ärmsten der Gesellschaft. Dennoch erschien seine «Gazette» volle 284 Jahre lang.
Zum Artikel auf der Website der Neuen Zürcher Zeitung
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