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Knut Bergmann im Deutschlandradio Kultur Gastbeitrag 8. April 2013

Gewinnen statt siegen

In Deutschland werden Diskussionen mit den immer gleichen Argumenten geführt, streng entlang ideologischer Grenzen, vielfach gegen schlichte Alltagsvernunft und wissenschaftlichen Sachverstand. Zeit, dass sich das ändert, meint Knut Bergmann vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

"Jede Niederlage beginnt damit, dass man den Standpunkt des Gegners anerkennt." So lautet eine politische Weisheit von Winston Churchill. Sie ist zweifelsohne zugespitzt, aber durchaus bis heute gültig. Leider, denn eine so geprägte Kultur demokratischer Auseinandersetzung macht es schwierig, politisch zu investieren und strittige Vorhaben anzugehen, die über die nächsten Wahltermine hinausreichen.

Zu oft werden Diskussionen mit den immer gleichen Argumenten geführt, streng entlang ideologischer Grenzen, vielfach gegen schlichte Alltagsvernunft und wissenschaftlichen Sachverstand - das Betreuungsgeld sei als Beispiel genannt. Die als ungerecht gebrandmarkten Studiengebühren dürften bald bundesweit Geschichte sein. Und will man den Rechtsradikalismus bekämpfen, ist in der Diktion einiger Wortführer nur der ein guter Demokrat, der in die periodisch wiederkehrende Forderung nach einem NPD-Verbot einstimmt und die Argumente dagegen beiseite wischt.

Das öffentliche Gespräch verbleibt auf diese Weise meistens an der Oberfläche. Dort lässt sich gut mit Einzelfällen argumentieren, sie lassen sich im Talk-Show-Einspielfilm so schön bebildern. Infolgedessen darf der Dachdecker, der eben nicht so lange arbeiten kann, in keiner Diskussion um die Rente mit 67 fehlen.

Wer insbesondere in sozialpolitischen Debatten darauf hinweist, dass es sich bei vielen der Beispiele um Einzelfälle handelt, wird rasch als zynisch diffamiert. Mit anekdotischer Empirie argumentiert es sich plastischer als mit statistischen Mittelwerten, Empörung hat eine stärkere Wirkung als Fakten und nur die schlechten Nachrichten sind gute Nachrichten, will sagen: welche mit Aufregerpotenzial.

Und weil wir es gern übersichtlich haben, argumentieren wir immer schön innerhalb der eigenen, innerhalb der deutschen Grenzen. Und das, obwohl (oder gerade: weil) die Welt sehr viel komplexer geworden ist.

In der Euro-Krise etwa wird offensichtlich, welch enormen Einfluss Brüssel auf die nationale Politik hat. Doch der Diskurs um die gemeinsame Währung verdeckt viel grundlegendere Fragen, denen sich Deutschland und Europa stellen müssen: Welche Rolle soll nationale Politik in Zukunft noch spielen? Wie kann Solidarität jenseits von Umverteilung aussehen? Und wie lässt sich der gemeinsame Wohlstand sichern?

Diese Fragen müsste Europa gemeinsam beantworten. Doch eine europäische Öffentlichkeit existiert nicht. Und ein "arte für alle" wird sie kaum herstellen.

Schließlich bleiben bereits in der nationalen Debatte Themenstränge unverbunden, die zusammen gehören. So greift einerseits die Skepsis gegenüber Wirtschaftswachstum selbst in der Union um sich, während andererseits sogar die Grünen und die Linkspartei genau darauf setzen, um die Euro-Krise zu überwinden.

Dieser Widerspruch gilt überdies individuell: Nicht einmal ein Drittel der Deutschen hielten jüngst das Bruttoinlandsprodukt für einen wichtigen Wohlstands-Indikator. Gleichzeitig priorisieren drei Viertel das Thema "Arbeit für möglichst viele". Der Zusammenhang von Wachstum und Beschäftigung wird offenkundig nicht berücksichtigt. Solche Widersprüche sind vielfach feststellbar - doch werden sie zugunsten simpler Argumentationslinien ignoriert.

Wünschenswert wären also mehr Nachdenklichkeit und weniger Selbstbezogenheit. Wünschenswert wären politische Debattanten, die nicht auf alles sofort eine Antwort wissen - gleich, welches Thema gerade dran ist. Und wünschenswert wäre der Mut, Zweifel zu bekennen.

Dafür müssen wir Wähler den Regierenden Zeit geben und von ihnen nicht immerzu erwarten, dass sie eine sofortige Lösung parat haben. Dann wäre Raum für eine politische Rhetorik, die ohne Floskeln und Verschleierung auskommt, die nicht ewig so hölzern wie ermüdend einer Parteilinie folgt und letzten Endes nur die Distanz zwischen Wählern und Gewählten vergrößert.

Wie also sollen sie geführt werden, die politischen Debatten? Winston Churchill hat gewarnt: "Jede Niederlage beginnt damit, dass man den Standpunkt des Gegners anerkennt." Aber wir müssen ja nicht auf ihn hören.

Der Gastbeitrag zum Anhören im Deutschlandradio Kultur

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