Die Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ist eine äußerst schlechte Nachricht für den Welthandel und die Globalisierung. Allen voran die deutsche Wirtschaft wird unter den neuen Zollschranken leiden, die Trump erheben will. IW Außenhandelsexperte Jürgen Matthes setzt sich in einem Gastbeitrag bei Focus Online mit den möglichen wirtschaftlichen Schäden für Deutschland auseinander.
Giftliste liegt in Brüssel in der Schublade: Das passiert, falls Trump die Zollkeule zückt
„Tariff Man“ plant massive Zollerhöhungen
Trumps Drohung ist überaus ernst zu nehmen, Zölle in Höhe von 10 Prozent auf alle US-Importe und von 60 Prozent oder mehr auf Einfuhren aus China zu erheben. Denn er hat sich selbst des Öfteren als „Tariff Man“, also als Mann der Zölle bezeichnet. Die Handelspolitik sieht er vor allem als Hebel, um in die US-Industrie zu schützen. Damit will er die Unterstützung der Industriearbeiter der Swing-States gewinnen und sich diese entscheidende Wählerbasis auf Dauer sichern.
Zölle treffen die weniger Wohlhabenden besonders hart
Leider hat diese Strategie dort verfangen, obwohl Zölle gerade weniger Wohlhabende besonders stark treffen, weil sie einen größeren Teil ihres Einkommens für Güter des täglichen Bedarfs ausgeben. Die Zölle werden zudem die Inflation in den USA wieder anheizen. Dabei hat Trump den Demokraten die hohen Preissteigerungen der letzten Jahre vorgeworfen – und damit den Finger in eine offene Wunde gelegt. Aber leider durchblickt nicht jeder Wähler diese Zusammenhänge. Zu viele lassen sich von dem Imponiergehabe des „Tariff Man“ blenden.
Biden setzt auf Klimaschutz und stärkt Exporte
Auch der Biden-Administration hat man ja hierzulande vorgeworfen, ähnlich wie Trump auf Protektionismus und America First zu setzen. Der US Inflation Reduction Act mit seinen Einschränkungen für europäische Exporteure hat hier zeitweilig zu einem regelrechten „Biden-Bashing“ geführt.
Dabei ist das Gegenteil richtig: So hat Joe Biden mit dem größten Klimaschutzprogramm der US-Geschichte den Aufbau von Produktionskapazitäten vor allem im Bereich erneuerbarer Energien gefördert – und damit die Nachfrage auch nach deutschen Zulieferprodukten etwa aus dem Maschinenbau und der Elektroindustrie angekurbelt.
Auch die deutschen Auto-Exporteure konnten aufgrund einer Sonderregelung von den IRA-Fördermaßnahmen profitieren, wenn die Fahrzeuge dort geleast werden. Der IRA hat also wahrscheinlich mit dazu beigetragen, dass die US-Exporte dieser Produkte zuletzt weit überdurchschnittlich zugelegt haben.
Der Anteil der USA an unseren gesamten Warenausfuhren war schon lange nicht mehr so hoch wie im letzten Jahr. Trump dagegen würde mit seinen Zolldrohungen den Zugang zum US-Mark deutlich verschlechtern. Das ist der entscheidende Unterschied zu Biden, den viele übersehen. Die Autoindustrie ist dabei besonders gefährdet, weil Trump die Leasing-Lösung im Handstreich abschaffen könnte.
Deutsche Wirtschaft besonders verletzlich
Die deutsche Wirtschaft mit ihrer großen Exportorientierung würde unter den Trumpschen Zollerhöhungen besonders leiden. Da die USA der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt für deutsche Exporteure ist, macht uns das besonders verletzlich. Hinzu kommt noch, dass US-Zollerhöhungen vermutlich Dominoeffekte haben würden. Wenn Trump die Zölle auf Importe auf China wie angekündigt in der Breite sehr stark erhöht, werden sich chinesische Exporteure andere Absatzmärkte suchen.
Die Flut chinesischer Waren, die dann über die Welt schwemmt, wird die EU, aber auch viele andere Länder vermutlich dazu zwingen, sich davor zu schützen. Die Gefahr dabei ist, dass eine weltweite Welle neuen Protektionismus nicht nur chinesische Waren trifft, sondern auch deutsche.
Handelskrieg zwischen USA und EU droht
Ein Handelskrieg droht auch, weil die EU zurecht mit Vergeltungsmaßnahmen droht. Die Giftliste liegt in Brüssel offenbar schon in der Schublade. Darauf finden sich viele sensible US-Waren vor allem von Produzenten in republikanischen Bundesstaaten, die die EU ihrerseits mit höheren Zöllen belegen würde.
Die Hoffnung ist, dass einflussreiche Interessengruppen Druck auf Trump auszuüben, sich mit der EU an den Verhandlungstisch zu setzen. Gemeinsamkeiten gerade mit Blick auf China gibt es genug und damit auch große Kooperationsmöglichkeiten. Doch die Gefahr besteht, dass das US-Defizit im Warenhandel mit der EU und Deutschland Trumps Denken so sehr prägt, dass er den Vergeltungsschlag der EU in Kauf nimmt. Möglicherweise antwortet er darauf sogar mit einer Erhöhung der US-Zölle auf 20 Prozent, wie er es schon in den Raum gestellt hat. Die EU würde darauf vermutlich wieder mit Gleichem vergelten.
Horror-Szenario für die deutsche Wirtschaft
Ein solches transatlantisches Handelskrieg-Szenario käme der deutschen Wirtschaft teuer zu stehen. In einer kürzlich veröffentlichten IW-Studie haben wir geschätzt, welche Folgen gegenseitige Zölle von 20 Prozent haben würden.
Eingerechnet ist auch, dass Trump die Zölle auf chinesische Importe auf 60 Prozent erhöht. Dieses Horror-Szenario würde die deutsche Wirtschaftsleistung am Ende der Amtszeit Trumps im Jahr 2028 um schätzungsweise knapp 1,5 Prozent geringer ausfallen lassen als es sonst der Fall wäre. Über die gesamte vierjährige Präsidentschaft käme hier eine Schadenssumme von bis zu 180 Milliarden Euro zusammen (in Preisen von 2020). Die Modellrechnungen zeigen aber auch: Eine Vergeltung der EU fügt den USA einen größeren zusätzlichen Schaden zu als der EU. Brüssel kann also glaubwürdig mit den Gegenmaßnahmen drohen – und sollte dies auch tun.
Produktionsverlagerungen als zusätzliche Gefahr
Für das deutsche industriebasierte Exportmodell können die höheren US-Zölle noch weitere negative Konsequenzen haben. Denn sie steigern den Anreiz für Unternehmen, ihre Produktion in die USA zu verlagern, weil das Exportieren teurer wird. Produktionsverlagerungen würden die deutsche Wirtschaft zu einer Unzeit noch weiter schwächen. Und besonders bitter wäre es, wenn sich Trumps Strategie, ausländische Firmen stärker in die USA zu holen, auf diese Weise tatsächlich als erfolgreich erweisen würde. Die Unternehmen können sich hier anpassen und möglicherweise ihre Gewinne sichern, doch der Standort Deutschland bliebe beschädigt zurück.
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