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Zeige Bild in Lightbox Wenn in den nächsten vier Jahren bei der Rente nichts passiert, wird es bitter
(© Foto: stockvisual/iStock)
Jochen Pimpertz auf Focus Online Gastbeitrag 23. August 2017

Wenn in den nächsten vier Jahren bei der Rente nichts passiert, wird es bitter

Während man sich im Tal noch im trügerischen Licht einer Rekordbeschäftigung sonnt, rollt vom Berg bereits die demografische Lawine. Die kommende Bundesregierung sollte sich darauf konzentrieren, die Gesellschaft dafür zu wappnen, denn das Zeitfenster ist beschränkt. Ein Gastbeitrag von IW-Ökonom Jochen Pimpertz, erschienen auf Focus Online.

Die Mitglieder der geburtenstarken Jahrgänge, die heute noch zu einem großen Teil beschäftigt sind und mit ihren Beiträgen für eine prall gefüllte Rentenkasse sorgen, werden mit Beginn des nächsten Jahrzehnts nach und nach in den Ruhestand wechseln. In den kommenden Jahrzehnten wird sich deshalb das zahlenmäßige Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern immer mehr zu Lasten der beruflich aktiven Bevölkerung verschieben. Die kommende Legislaturperiode wird die letzte sein, in der Deutschland in demografischer Hinsicht gut dasteht.

Mit Blick auf diese demografischen Entwicklungen verbarg sich hinter den Rentenreformen des vergangenen Jahrzehnts viel Weitsicht. Denn mit der Definition zweier Haltelinien, die den Beitragssatzanstieg und das Absinken des Rentenniveaus bis 2030 begrenzen, sowie dem schrittweisen Anheben der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre haben die rot-grüne und die anschließende schwarz-rote Bundesregierung nicht nur die Lastverteilung zwischen den Generationen neu austariert. Sie haben damit auch für berechenbare Rahmenbedingungen gesorgt – eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen von privater Altersvorsorge, die einen langen Atem braucht.

Mehr Lasten für die jungen Beitragszahler

Wie aber geht es nach 2030 weiter? Angesichts der grassierenden Sorge vor künftig steigender Altersarmut setzen die Parteien im Wahlkampf verstärkt auf zusätzliche Leistungsversprechen. Doch ob Stabilisierung des Rentenniveaus, Aufstockung der Mütterrente, Lebensleistungs- oder Solidarrente – sämtliche Vorschläge bleiben nicht nur den Nachweis schuldig, treffsicher undwirksam vor Altersarmut zu schützen. Sie bürden insbesondere den jüngeren Beitragszahlern auch dauerhaft zusätzliche Lasten auf. Dabei sind es gerade sie, die im demografischen Wandel besonders gefordert werden.

Wer heute am Anfang seiner Berufskarriere steht, muss allein bis zum Jahr 2030 mit einem Anstieg des Beitragssatzes um gut ein Sechstel auf mindestens 22 Prozent rechnen, ohne dass damit in Zukunft eine gesetzliche Versorgung auf heutigem Niveau verbunden wäre. Jedes weitere Leistungsversprechen erhöht die Finanzierungslast darüber hinaus.

Auch mehr Steuergelder helfen nur begrenzt

Da bietet auch das vermeintliche Patentrezept eines höheren Steuerzuschusses zur Rentenversicherung keinen Ausweg. Ob ein Rentensystem, das in stärkerem Maße vom Bundeshaushalt abhängt, mehr Sicherheit verspricht, scheint nämlich mehr als fraglich. Schließlich geraten auch die Einnahmen des Staates – namentlich aus der Einkommensteuer – im demografischen Wandel unter Druck.

Deshalb ist es Zeit, sich auf die Logik der umlagefinanzierten Alterssicherung zu besinnen. Denn letztlich sind es nur drei Stellschrauben, mit denen der Ausgleich von Rentenausgaben und Beitragseinnahmen nachhaltig gesichert werden kann. Wenn aber der Beitragssatz nicht unendlich steigen kann und das Sicherungsniveau nicht ins Bodenlose fallen darf, dann bleibt nur die Verschiebung der Regelaltersgrenze, um den demografisch bedingten Anstieg des Rentnerquotienten zu bremsen.

Nur eine längere Arbeitszeit entlastet das System

Diese Option lehnen die Parteien bislang kategorisch ab. Simulationsrechnungen zeigen allerdings, dass die Bevölkerungsalterung nicht im Jahr 2030 aufhört. Im Gegenteil, mit einem langfristigen Anstieg der Regelaltersgrenze bis auf 70 Jahre ließe sich auch für die Zeit danach ein Beitragssatz von knapp 22 Prozent dauerhaft stabilisieren, wobei die verlängerte Arbeitszeit helfen würde, das Sicherungsniveau dauerhaft über 45 Prozent zu stabilisieren.

Rente mit 70 – es wäre wohl naiv zu hoffen, dass sich Politiker mit einem solchen Reizwort in den Wahlkampf begeben. Doch kommt es weniger auf die konkrete Zahl an als vielmehr auf die Annahme, die hinter der Simulationsrechnung steht. Diese besagt, dass die Menschen bei steigender Lebenserwartung auch tatsächlich länger arbeiten. Das hilft, die Rentenkasse zu stabilisieren.

Die eigentliche politische Aufgabe ist also schnell formuliert: Wie gelingt es der Gesellschaft künftig, Menschen zu befähigen, länger erfolgreich am Arbeitsleben teilzuhaben? Diese Aufgabe erfordert gestalterische Kraft, auf die sich die kommende Bundesregierung unabhängig welcher Couleur konzentrieren sollte, ehe demografische Sachzwänge keine Wahl mehr lassen.

Zum Gastbeitrag auf focus.de

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