Einen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Pandemie sieht IW-Ökonom Jochen Pimpertz auch im betrieblichen Gesundheitsschutz.
Kein höherer Krankenstand
Inzwischen hält bereits die fünfte Corona-Welle das Land in Atem. Während die Medien von dramatisch steigenden Infektionszahlen berichten, das Land über das Für und Wider einer Impfpflicht diskutiert und schärfere Maßnahmen auch für Unternehmen gefordert werden, berichten die Statistiker der Betriebskrankenkassen dieser Tage von einer vergleichsweise unauffälligen Entwicklung des Krankenstands. Wie passt das zusammen?
Die ärztlich attestierten Fehltage sind danach im Jahr 2020 leicht gesunken. Statt Corona dominierten altbekannte Ursachen das Krankheitsgeschehen in den Belegschaften. Das Gros der Ausfalltage geht auf das Konto von Muskel- und Skeletterkrankungen. Psychische Leiden verursachen zwar besonders langwierige Krankschreibungen, treten jedoch vergleichsweise selten auf.
Wer erwartet hat, dass mit Corona vor allem Atemwegserkrankungen zugenommen haben, wird vom Gegenteil überrascht. Die Erklärung ist gleichwohl naheliegend: Während in früheren Jahren die Grippe- und Erkältungswellen zu Ausfällen in den Betrieben geführt haben, fielen beide im Jahr 2020 aufgrund von Lockdown, AHA-Regeln und Homeoffice weitgehend aus.
Nimmt man das Krankheitsgeschehen insgesamt in den Blick, rangieren Berufsgruppen mit industriell geprägten Tätigkeiten an der Spitze. Betrachtet man dagegen ausschließlich Corona-Erkrankungen, sind erwartungsgemäß pflegerische und medizinische Berufe besonders stark betroffen. Im Gedächtnis sind Medienberichte über unrühmliche Beispiele etwa aus fleischverarbeitenden Betrieben haften geblieben, die aber aus statistischer Sicht eine untergeordnete Rolle spielen.
Die ersten Wellen betrafen vor allem vulnerable Gruppen in höherem Alter. Dieses Bild ändert sich mit der Omikron-Variante. Aktuell steigt der monatliche Krankenstand auch in den Belegschaften erkennbar an. Welche Rolle das Arbeitsleben bei dem Infektionsgeschehen spielt, bleibt aber bis heute unklar. Denn auch nach zwei Jahren Pandemie wurde hierzulande immer noch keine breite Bevölkerungsstichprobe organisiert, die sowohl medizinische als auch sozialwissenschaftliche Langzeitstudien zu potenziellen Infektionsquellen ermöglicht.
So steht zu befürchten, dass uns auch weiterhin Debatten über Teillockdown und strengere Verhaltensregeln begleiten werden, weil es an Belegen für treffsichere Alternativen mangelt. Und die Rolle der Unternehmen? Hier kann das Glas halbleer oder halbvoll sein. Halb leer ist es, wenn man glauben möchte, dass Arbeitgeber ein Interesse daran hätten, an präventiven Maßnahmen zu sparen, obwohl damit ein höherer Krankenstand und Produktionsausfall droht.
Halb voll ist das Glas dagegen, wenn man glauben mag, dass die Betriebe zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den gesundheitlichen Gefahren beitragen. Nicht nur die Vorkehrungen am Arbeitsplatz helfen, die Verbreitung des Virus zu begrenzen. Manches Unternehmen organisiert auch aktiv Impfangebote für seine Mitarbeiter.
Statt das Heil in immer neuen, vermeintlichen Pat-End-Rezepten zu suchen, die der komplexen Realität nicht gerecht werden, gilt es, die vielfältigen Anstrengungen aller Beteiligten zu würdigen, um Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam für die weiterhin notwendigen Anstrengungen zu motivieren.
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