Der Bundestag stimmt am Donnerstag über das Rentenpaket der großen Koalition ab. Das Problem dabei: Die Pläne leisten weder einen Beitrag zur Armutsprävention, noch helfen sie dabei, die Rentenfinanzen nachhaltig zu sichern, schreibt IW-Rentenexperte Jochen Pimpertz.
Abstimmung im Bundestag: Das Rentenpaket kostet Milliarden - doch gegen Altersarmut hilft es kaum
Am 8. November entscheidet der Deutsche Bundestag über das Rentenpaket der schwarz-roten Bundesregierung. Zwei Maßnahmen sind im Vorfeld besonders umstritten. Ein Streitpunkt ist die sogenannte Mütterrente II. Die Idee: Union und SPD wollen ab 2019 Müttern und Vätern, deren Kinder vor 1992 geboren sind, nachträglich weitere sechs Monate Kindererziehungszeiten anrechnen. Damit würde das Rentenrecht angeglichen werden, schließlich können Eltern jüngerer Kinder sich bereits drei Erziehungsjahre pro Kind gutschreiben lassen.
Die Angleichung erfolgt aber nicht kostenlos: Die Aufstockung belastet die Rentenkasse mit rund 3,5 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei leistet die Mütterrente II kaum einen Beitrag zur Armutsprävention. Das monatliche Plus von aktuell rund 15 Euro pro Kind wird selbst kinderreichen Rentnerinnen kaum helfen, bei Bedürftigkeit die Armutsschwelle zu überwinden. Anstatt das Budget treffsicher einzusetzen, dürfen sich nun auch jene Rentner freuen, die bereits gut abgesichert sind.
Mehr Steuern fließen ins Rentensystem
Mindestens ebenso umstritten ist der Nutzen der sogenannten doppelten Haltelinie. Dahinter verbirgt sich eine simple Idee: Bis zum Jahr 2025 soll das Rentenniveau, also das Verhältnis von Rente zu Durchschnittseinkommen, nicht unter das heutige Niveau von 48 Prozent sinken. Der Beitragssatz von heute 18,6 Prozent soll nicht über 20 Prozent steigen. Um beide Ziele abzusichern, leistet der Bund einen weiteren Steuerzuschuss.
Diese neuen Haltelinien erscheinen zunächst recht harmlos, schließlich markieren sie einen Korridor, in dem sich bislang auch die Vorausberechnungen der Gesetzlichen Rentenversicherung bewegen. Wie riskant diese neue Rentengarantie ist, wird mit einem Blick auf die Auswirkungen konjunktureller Schwankungen deutlich: Sollten sich Beschäftigung und Löhne nicht so günstig entwickeln wie bislang unterstellt, erweisen sich alle Prognosen als Makulatur. Etwaige Finanzierungslücken müsste dann der Bundesfinanzminister, also der Steuerzahler decken.
Wer wenig einzahlen kann, hat weiterhin nur eine geringe Rente
Hinzu kommt: Auch die Rentengarantie kann nicht mit dem hehren Ziel der Armutsprävention begründet werden. Denn wer heute bereits bedürftig ist, wird mit einer Stabilisierung des Rentenniveaus keineswegs über die Armutsschwelle gehoben. Selbst wenn das Sicherungsniveau deutlich angehoben würde, wie es manche Protagonisten des linken Meinungsspektrums fordern, würde die neue Regelung nicht vor Altersarmut schützen. Eine beitragsbezogene Rente kann keine Mindestsicherung garantieren. Das gilt besonders für all diejenigen, die nicht durchgehend erwerbstätig waren oder in Teilzeit gearbeitet haben.
Der Bochumer Finanzwissenschaftler Martin Werding errechnete vor kurzem, dass das Rentenpaket allein in den Jahren 2019 bis 2025 mehr als 30 Milliarden Euro zusätzlich kosten wird. Aller ökonomischen Vernunft zum Trotz hält die Große Koalition an ihrem rentenpolitischen Kurs fest. Angesichts dieser Kosten bleibt zu hoffen, dass die von der Großen Koalition einberufene Reformkommission mit dem klangvollen Namen „Verlässlicher Generationenvertrag“ ergebnisoffen über die Zukunft der Alterssicherung berät und die jetzt verabredeten Maßnahmen wenigstens für die Zeit nach 2025 zur Diskussion stellt. Verbündete fände sie dabei in der Ökonomen-Zunft, deren Vertreter immer wieder darauf hinweisen, dass die im demografischen Wandel ohnehin besonders geforderten Generationen der Kinder und Enkel die Folgen einer allzu generösen Rentenpolitik auch noch schultern müssen.
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