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Hubertus Bardt im Handelsblatt Gastbeitrag 27. August 2012

Streit um die besten Konzepte

IW-Energieökonom Hubertus Bardt schreibt im Handelsblatt: Der Energiegipfel am morgigen Dienstag bietet die Gelegenheit, über viele Probleme zu sprechen, die Grundannahmen zu überprüfen - und entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Am 28. August gibt es zwei große Termine im Kanzleramt. Bei beiden geht es um die Zukunft Deutschlands. Die Kanzlerin lädt zum "Zukunftsdialog", aber konkreter und streitiger wird es beim Energiegipfel. Hier muss der Kanzleramtsminister ran. Wenn er aber bei diesem Kernthema seine Chefin, Angela Merkel, ganz vertreten muss, wäre das für die Energiewende kein gutes Zeichen.

Die Kanzlerin nimmt an der Abschlussveranstaltung des Zukunftsdialogs teil. Es geht um entscheidende Fragen: "Wie wollen wir zusammenleben?", "Wie wollen wir lernen?". Und nicht zu vergessen: "Wovon wollen wir in Zukunft leben?" Merkel hat zum Dialog eingeladen. Dabei muss nicht Konsens herauskommen, sondern es sollte möglichst gute und neue Ideen geben. Rund ein Jahr lang haben über 100 Experten diskutiert. Alle Bürger konnten sich im Internet beteiligen. Die Abschlusskonferenz soll nicht das Ende der Diskussion sein, sondern der Auftakt.

Um kurzfristige Herausforderungen geht es beim nächsten Energiegipfel. Was hat Priorität? Ein Dialog über die Zukunft oder der Streit über die Energie? Wie Dialog zum Markenkern der Kanzlerin gehört, gehört Streit zur Notwendigkeit der Energiewende. Und natürlich gehört die Energiewende zur Zukunftsfrage "Wovon wollen wir leben?".

Beim Energiegipfel geht es um nicht weniger als die Grundlagen unseres zukünftigen Wirtschaftens und künftigen Wohlstands. Schließlich gilt es, die Energiewende so zu gestalten, dass sie allen Anforderungen gerecht wird. Der Umbau auf erneuerbare Energien soll bis zur Jahrhundertmitte erreicht, die Stromversorgung gesichert werden - 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Und die Preise dürfen nicht ungebremst weiter steigen. Zumindest nicht, wenn wir ein leistungsfähiges Industrieland bleiben wollen.

Gerade bei den Kosten aber treten die Probleme offen auf. Die EEG-Umlage wird 2013 voraussichtlich von gut 3,5 auf fünf Cent steigen, wenn nicht noch höher. Für einen typischen Privathaushalt wären das Kosten von rund 200 Euro im Jahr - für ein Industrieunternehmen entsprechend mehr, wenn es nicht von Ausnahmeregeln profitiert. Zuletzt ist der Stromkostennachteil Deutschlands gegenüber unseren Nachbarn deutlich gestiegen: ein großes Risiko der Energiewende und erklärt, warum viele Unternehmen das Thema so ernst nehmen.

Die Energiewende kommt beim Ausbau der Erneuerbaren gut voran, auch wenn es beim Offshore-Wind etwas stockt. Bei den Kosten und der Wettbewerbsfähigkeit sieht es aber nicht so gut aus. Die Versorgungssicherheit war schon im letzten Winter brüchig. Die Industrie fürchtet steigende Kosten und eine unsichere Stromversorgung. Energiepolitik ist zu einem entscheidenden Kernelement der Industriepolitik geworden.

Für die Energiewende sind klare Ziele formuliert worden. Das Konzept aber basiert auf Bedingungen, die für ein Gelingen des Umbauprozesses gegeben sein müssen. Dazu gehört eine stärkere europäische Vernetzung der Stromerzeugung wie ein europäisch optimierter Einsatz erneuerbarer Energien und nicht zuletzt ein deutlicher Rückgang des Strombedarfs. Bei vielen dieser Bedingungen sieht es nicht gut aus. Die Kosten des EEG in Deutschland gehen in die Höhe, und Strom wird weiter in ähnlichem Umfang gebraucht wie bisher. Das ist keine Überraschung. Aber wie geht es mit der Energiewende weiter, wenn diese Vorbedingungen ausbleiben?

Selbst wenn die Voraussetzungen der Energiewende geschaffen werden, bleiben Fragen. Vor allem: Wie kann es gelingen, eine vernünftige Balance zwischen Markt und Regulierung in der Stromwirtschaft herzustellen? Markt und Regulierung müssen kein Widerspruch sein. Märkte wären ohne grundlegende Regelwerke nicht funktionsfähig. Schon die Möglichkeiten der Durchsetzung von Verträgen und des Schutzes des Eigentums basiert auf einer staatlichen Struktur. Der Strommarkt ist auf Regeln für einen funktionierenden Wettbewerb und für die Berücksichtigung des Klimaschutzes angewiesen. Regulierung kann aber marktliche Strukturen auch zerstören.

Wann immer große Anteile von Strom gefördert werden und sich nicht am Markt behaupten, geht der Wettbewerb auf dem Strommarkt verloren. Marktprozesse sind jedoch dringend erforderlich, um Innovationen hervorzubringen und Effizienzniveaus zu ermöglichen, die für die Energiewende unverzichtbar sind. Nur so können die volkswirtschaftlichen Kosten in Grenzen gehalten werden. Wie kommen wir zu mehr Markt und Wettbewerb in der Energiewende?

Der Energiegipfel bietet die Gelegenheit, über die Probleme zu sprechen, Annahmen zu überprüfen und Konsequenzen zu ziehen. Die Chance darf nicht verpasst werden. Über das Ziel der Energiewende herrscht Einigkeit. Aber auf dem Weg liegen viele offene Fragen. Wir brauchen den Streit um die besten Wege.

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