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Hubertus Bardt im Handelsblatt Gastbeitrag 26. Mai 2015

Kasse und Klima

Die Klimapolitik darf nicht den Fiskalinteressen des Staates dienen, fordert IW-Energieökonom Hubertus Bardt im Handelsblatt.

Seit längerem herrscht die Vorstellung, die CO2-Emissionen von Kohlekraftwerken stärker zu begrenzen. Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Stromwirtschaft die Emissionen um weitere 22 Millionen Tonnen reduzieren, damit das Klimaschutzziel einer Reduzierung um 40 Prozent bis 2020 erreicht werden kann. Inzwischen werden etwas geringere Mengen diskutiert - aber an den grundlegenden Problemen solcher Sonderregeln ändert sich damit nichts.

Die Kohleverstromung zu reduzieren klingt erst einmal nach weniger Emissionen. Aber dem Klima wird damit nicht viel geholfen. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die Kraftwerke bereits dem europäischen Emissionshandel unterliegen. Für jede Tonne eingespartes CO2 muss ein Kraftwerksbetreiber auch ein Zertifikat weniger einsetzen. Das wird am Markt angeboten und kann von anderen Unternehmen irgendwo in Europa genutzt werden. Und wenn es heute nicht verbraucht wird, dann zu einem anderen Zeitpunkt. Zusätzlichen Einsparungen in Deutschland stehen erhöhte Emissionen in anderen Branchen, anderen Ländern oder zu einem anderen Zeitpunkt gegenüber. Nebenbei sinkt auch noch der Preis für Emissionsrechte.

Der Emissionshandel soll dafür sorgen, dass die günstigsten Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden. Wenn bestimmte Emissionen unabhängig von den Kosten beschränkt werden, führt das zu Ineffizienzen. Die gesteckten Klimaschutzziele des Emissionshandels werden mit höheren Kosten erreicht. Ein Vorteil ist darin kaum zu erkennen. Die deutsche Klimabilanz der nächsten Jahre sähe zwar besser aus, für das Klima wäre aber nichts gewonnen. Nur die Kosten des Klimaschutzes würden steigen. Daran lässt sich erkennen, dass ein nationales Klimaschutzziel für einen Bereich, der dem europäischen Emissionshandel unterliegt, keinen Sinn macht. Der Automatismus, mit der das fehlgeleitete rein deutsche Ziel verfolgt wird, überzeugt nicht.

Seit einiger Zeit propagiert das Wirtschaftsministerium einen neuen Plan: Kraftwerksbetreiber sollen nicht nur für jede Tonne CO2 ein Zertifikat abgeben, sondern ab einem bestimmten Grenzwert gleich drei oder vier. Damit würden mehr Zertifikate stillgelegt, als Emissionen entstehen. Selbst wenn dies dem Klima nutzte (was es wegen der Reaktionsmöglichkeiten der Kraftwerksbetreiber nur eingeschränkt tun wird), ist es ein Bruch mit der Logik des Emissionshandels. Die Tonne CO2 würde dann aus der einen Quelle plötzlich drei- oder viermal so viel kosten wie dieselbe Tonne aus einer anderen Quelle. Zu einem Marktsystem, das die günstigsten Vermeidungsmöglichkeiten für Zertifikate sucht, passt das nicht.

Seit die Emissionsrechte verkauft werden, hat der Fiskus ein Interesse an hohen CO2-Preisen. Die Volkswirtschaft braucht aber möglichst niedrige Preise, solange die Emissionsgrenzen des Emissionshandels eingehalten werden. Nach dem Vorschlag des Wirtschaftsministeriums müssten Kraftwerksbetreiber de facto Zertifikate abgeben für Emissionen, die sie nie getätigt haben. Emissionsrechte zu verkaufen und die Käufer zu zwingen, sie ungenutzt stillzulegen, ist schon eine außergewöhnliche Idee. Klimapolitik und Fiskalinteressen bilden keine gute Allianz.

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