Das Problem ist nicht die Teil-Finanzierung des Staatshaushalts mit Schulden, solange die Generationen die Last nur mit Bedacht erhöhen. Jedoch gilt es zu überdenken, wie wir in der Krise steuern, denn Schulden für die Konjunktur zu machen, davon hielt auch Keynes nichts.
Gute Schulden, schlechte Schulden
Die Kreditaufnahme des Staates ist in Verruf geraten. Exzesse und Übertreibungen in vielen Ländern, die jahrzehntelange Gewohnheit wohlsituierter Volkswirtschaften, den laufenden Haushalt durch Kredit mitzufinanzieren, und schließlich die fiskalischen Anstrengungen als Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise legen eine Neubewertung staatlicher Schuldenpolitik nahe. Unmissverständlich ist auch die Botschaft der Kapitalmärkte und der Rating-Agenturen. Die kritische 90-Prozent-Grenze für die Schuldenstandsquote (Reinhart/Rogoff) erweist sich als wirkungsmächtig.
Angesichts des hektischen Krisenhandelns der Europäer, um die Staatsschuldenkrise einzelner Länder nicht zur Existenzfrage der Union werden zu lassen, und ebenso angesichts des lauten politischen Durcheinanders in den Vereinigten Staaten geht die Orientierung verloren, welche Begründung für eine staatliche Kreditfinanzierung gegeben und welches Maß damit überhaupt zu legitimieren ist. Natürlich sind Kredite zur Finanzierung von Staatsaufgaben zu rechtfertigen, wenn sich damit Investitionen verbinden, die den volkswirtschaftlichen Kapitalstock vergrößern. Fair und angemessen ist es, alle nutzenden Generationen durch Zins und Tilgung an der Finanzierung zu beteiligen. Leider fehlen dem klugen Gedanken die Klarheit und die Unbestechlichkeit der Umsetzung. Denn an der Definition öffentlicher Investitionen scheitert man leicht, weil sie zu eng, weil sie falsch oder weil sie zu weit gefasst wird. Deshalb kann man es auch anders wenden: Leistet jede Generation den gebotenen Beitrag zur Entwicklung und zur Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur, dann bedarf es aus Gründen der Effizienz und Fairness keiner Kreditfinanzierung.
Bleibt die große Botschaft John Maynard Keynes’, dass wir in Krisen durch kreditfinanzierte Ausgabenprogramme des Staates schnell die Heilung erwirken können. Die Erfahrung der Finanz- und Wirtschaftskrise unserer Zeit bestätigt dies, doch zugleich wurde klar, dass die primitiv-keynesianische Deutung, jede Konjunkturabschwächung sogleich durch fiskalische Gegensteuerung zu beantworten, ineffektiv ist und den Staat deshalb auf Dauer auf ein höheres Schuldenniveau führt. Diese Fehldeutung des großen Ökonomen ist endlich zu korrigieren; ihm ging es um Krisenpolitik, nicht um Konjunkturpolitik. Nur eine tiefe, umfassende und abrupte Verwerfung der internationalen Arbeits- und Risikoteilung rechtfertigt demnach eine Politik des „deficitspending“, die dann global zu koordinieren ist. Genau das war die positive Erfahrung der Jahre 2009 und 2010. Für solche Situationen muss das Pulver trocken gehalten werden. Derzeit gibt es weltweit keine finanzpolitischen Expansionsspielräume mehr.
So lautet heute das Ziel verantwortlicher Finanzpolitik: Reduzierung der Schuldenstandsquoten. Dass dies kein Zauberwerk ist, zeigen die Erfahrungen erfolgreicher Konsolidierung. Man muss Ausgabendisziplin mit einer Stärkung der volkswirtschaftlichen Dynamik verbinden. So gelang es Kanada in den 1990er-Jahren, die Schulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt binnen einer Dekade von über 70 Prozent auf unter 40 Prozent zu reduzieren. Das Land ist nicht verarmt und leidet auch nicht an öffentlicher Unterinvestition. So kann man die Krise der Staatsfinanzen, wie sie derzeit viele Länder betrifft, auch ins Positive wenden: Es ist der ultimative Alarmruf für eine Neuorientierung der öffentlichen Haushalte. Auf Dauer wird man im Normalfall auf jegliche Kreditfinanzierung zu verzichten haben.
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